Rz. 45

[Autor/Stand] Neben der bereits unter Rz. 11 ff. erörterten Befugnis, den Antrag auf Einziehung im selbständigen Verfahren zu stellen, eröffnet § 401 AO der FinB die weitere Möglichkeit, nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens die Verhängung einer Geldbuße gegen eine juristische Person (im Folgenden JP, z.B. GmbH, AG) oder Personenvereinigung (im Folgenden PV, z.B. Personenhandelsgesellschaft, Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, nicht rechtsfähiger Verein) gem. § 30 Abs. 4 OWiG im selbständigen Verfahren zu beantragen (§ 401 Alt. 2 AO).

 

Rz. 46

[Autor/Stand] Die sog. Verbandsgeldbuße stellt eine eigenständige und vollwertige Sanktion und nicht nur eine bloße Nebenfolge dar.[3] Da es zurzeit in Deutschland – anders als z.B. in den USA[4] – noch kein eigenständiges Unternehmensstrafrecht gibt, wird auch weiterhin § 30 OWiG, der allgemein als dogmatischer Fremdkörper angesehen wird, eine Lückenfüllerfunktion haben (zu den Reformbemühungen s. die vorst. Schriftumsnachweise).

Die praktische Bedeutung des Rechtsinstitutes hat denn auch in letzter Zeit immens zugenommen, wie es die sog. Banken-Verfahren zeigen (s. Rz. 69, 78). In der Vergangenheit hat der Gesetzgeber dies auch bewusst durch Erweiterungen des zurechenbaren Täterkreises und Verschärfungen des Bußgeldrahmens befördert[5] (vgl. § 377 Rz. 111 ff., 123 ff.).

 

Rz. 47

[Autor/Stand] Grundsätzlich sollen die Sanktionen gegen die verantwortlichen natürlichen Personen und gegen den Verband – schon aus prozesswirtschaftlichen Gründen – in einem einheitlichen Verfahren (sog. verbundenen Verfahren) verhängt werden (arg. e§ 30 Abs. 4 OWiG).[7] Grund für diese Klammerwirkung ist eine schuldangemessene Verteilung der Sanktionen. Zudem wird so eine "Doppelahndung", die dem Grundsatz ne bis in idem zuwiderliefe, verhindert.[8] So ist denn auch die kumulative Verbandsgeldbuße der Regelfall (s. § 377 Rz. 127).

 

Rz. 48

[Autor/Stand] Solange ein Verfahren gegen das Organ usw. schwebt, ist eine Verfahrensspaltung in zwei getrennte Verfahren unzulässig.[10] Ist ein selbständig gegen die Leitungsperson durchgeführtes Verfahren bereits rechtskräftig (durch Bußgeldbescheid oder Strafe/Strafbefehl) abgeschlossen worden, ist die Festsetzung einer Unternehmensgeldbuße nicht möglich[11] (zum Rechtsbehelfsverfahren s. Rz. 97 f.). Werden zwei selbständige Bußgeldverfahren gegen die betroffene juristische Person und deren Geschäftsführer miteinander verbunden, so kann die Geldbuße nur gegen den Geschäftsführer der Betroffenen als vertretungsberechtigtes Organ gem. § 30 Abs. 1 OWiG verhängt werden. Mit der Verbindung der Verfahren bricht das Verfahren gegen die juristische Person in sich zusammen und ist wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen.[12]

 

Rz. 49

[Autor/Stand] Im verbundenen Verfahren hat die JP/PV die Stellung eines Verfahrensbeteiligten (s. Rz. 86 ff.). Ist Anlasstat eine Straftat, bestimmen sich die Rechte des Unternehmens nach § 444 Abs. 1 und 2 StPO mit den dort genannten Verweisungen. Das Unternehmen ist zu laden und zu hören. Es hat die gleichen Rechte wie ein Beschuldigter. Dennoch kann auch in Abwesenheit eines Unternehmensvertreters verhandelt werden.[14]

 

Rz. 50

[Autor/Stand] Bei einer Ordnungswidrigkeit gelten § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 444 Abs. 1 Satz 2 StPO, § 88 Abs. 1 OWiG. Danach hat das Unternehmen die gleichen Rechte wie der Betroffene, damit auch eigene Beweisantragsrechte.[16] Zum rechtlichen Gehör vgl. § 426 Abs. 1, § 444 Abs. 2 Satz 2 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG analog (s. Rz. 88).

 

Rz. 51

[Autor/Stand] Zur Möglichkeit, den Antrag auf Festsetzung einer Verbandsgeldbuße zugleich mit dem Strafbefehlsantrag gegen den Unternehmensverantwortlichen zu stellen, vgl. § 407 Abs. 2 Nr. 1 StPO (s. Rz. 5 und § 400 Rz. 81).

 

Rz. 52

[Autor/Stand] Bei § 401 AO geht es jedoch um die isolierte Verhängung einer Verbandsgeldbuße im selbständigen Verfahren allein gegen eine JP/PV, die nur nach Maßgabe des § 30 Abs. 4 Satz 1 OWiG stattfindet, d.h. wenn wegen der Straftat oder Ordnungswidrigkeit ein Verfahren gegen die Leitungsperson nicht eingeleitet oder ein solches Verfahren eingestellt wird oder von Strafe abgesehen wird (Satz 1). Die Gründe für die Nichtverfolgung sind dabei – abgesehen von rechtlichen Verfolgungshindernissen (§ 30 Abs. 4 Satz 3 OWiG, s. dazu Rz. 71 ff.) – unbeachtlich. Es kommt es daher nicht darauf an, ob ein verbundenes Verfahren (s. Rz. 47) möglich wäre oder nicht.[19]

 

Rz. 53

[Autor/Stand]"Weitere Fälle" einer isolierten Verbandsgeldbuße i.S.d. § 30 Abs. 4 Satz 2 OWiG[21] sind z.B. Submissionsabsprachen gem. dem heutigen § 82 Abs. 2 GWB 2021 (ursprünglich § 81a GWB 1997; von 1999 bis Anfang Januar 2021 § 82 GWB a.F.),[22] die hier außer Betracht bleiben.

 

Rz. 54

[Autor/Stand] Die isolierte Festsetzung der Verbandsgeldbuße ist daher nur in den vorgenannten Ausnahmefällen zulässig. Getrennte Entscheidungen gegen Repräsentanten und Personenverband sind also regelmäßig nicht zulässig. In der bußgeldrechtlichen Praxis ergehen aber häufig zwei Bescheide. Zu de...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge