Rz. 470
Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind die am Besteuerungsverfahren Beteiligten wie auch andere Personen als nichtbeteiligte Dritte verpflichtet, der FinB die "zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts" erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Nach der Rspr. müssen sich Auskunftsersuchen nicht auf den Einzelfall eines namentlich bekannten Stpfl. begrenzen, sondern können sich auf einen größeren Kreis unbekannter, potentieller Stpfl. beziehen, soweit ein hinreichender Anlass (s. dazu Rz. 216 ff.) gegeben ist. Die Steuerfahndung kann mithin das Instrument des Sammelauskunftsersuchens zur Ermittlung unbekannter Steuerfälle i.S.d. § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 AO nutzen. Das Sammelauskunftsverfahren, bei dem von einer zentralen Auskunftsperson eine Vielzahl von Daten zu gleichgelagerten Sachverhalten und Betroffenen angefordert werden, hat an Bedeutung stark zugenommen. Es ist das wichtigste Instrument der Steueraufsicht.
Rz. 471
Durch das StUmbBG vom 23.6.2017 ist § 93 Abs. 1a AO mit Wirkung vom 23.6.2017 eingefügt worden, welcher (auch) die Befugnis der Finanzbehörde (allgemeine Finanzämter) zum Sammelauskunftsersuchen regelt:
§ 93 AO Auskunftspflicht der Beteiligten und anderer Personen
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
Rz. 472
Die tatbestandlichen formulierten Voraussetzungen der Norm sind deckungsgleich mit den bisherigen Anforderungen der Rspr. zum Sammelauskunftsersuchen. Demzufolge können sowohl die Steuerfahndung als auch die Finanzbehörden das Sammelauskunftsersuchen im Rahmen des Besteuerungsverfahrens betreiben.
Rz. 473
Die Ermittlungsschwelle für die Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. nunmehr ausdrücklich in § 93 Abs. 1a AO normiert, bleibt, dass ein hinreichender Anlass für die Aufnahme der Fahndungsermittlungen besteht. Der hinreichende Anlass liegt vor, wenn aufgrund konkreter Momente oder allgemeiner Erfahrung die objektive Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und die FinB nach pflichtgemäßen Ermessen zu der Prognoseentscheidung gelangt, eine Ermittlungsmaßnahme bestimmter Art (z.B. Auskunfts- und Vorlageersuchen, §§ 93, 97 AO) kann zur Aufdeckung steuerrechtlich erheblicher Tatsachen führen. Hierbei wird auch auf allgemeine branchenspezifische Erfahrungen zurückgegriffen. In jüngerer Zeit wird betont, dass ein hinreichender Anlass gegeben ist, wenn eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Aufdeckung unbekannter Steuerfälle spricht (s. ausführlich Rz. 210 ff.).
Rz. 474
Vielfach erfolgt die Grenzziehung zwischen rechtmäßigen Ermittlungen und unzulässigen "Ausforschungen" mit der begrifflichen Beschreibung unzulässiger Maßnahmen als Ermittlungen "ins Blaue", "Flächen- oder Rasterfahndungen", die auch von der Steufa nicht ergriffen werden dürfen. Allein die Erkenntnis, dass Gesetze im Allgemeinen und Steuergesetze im Besonderen nicht immer beachtet werden und es nicht selten zu Steuerverkürzungen kommt, reicht nicht aus, um einen hinreichenden Anlass bejahen zu können. Von unzulässiger "Rasterfahndung" war insb. im Zusammenhang mit den sog. Bankenverfahren (s. Rz. 580 ff.) die Rede. Dabei ging es vor allem um die gezielte Fertigung und Auswertung von Kontrollmaterial, das aus Bankunterlagen erstellt wurde, die für den eigentlichen Durchsuchungszweck unbedeutend waren.
Rz. 475
Nach wie vor verwendet die Praxis den Begriff "Rasterfahndung" auch über die Bankenverfahren hinaus als Synonym für unzulässige Ermittlungsmethoden, bei denen im Sinne einer "Rasterung" systematisch und möglichst umfassend bestimmte Tätigkeitsfelder oder Gruppen von Stpfl. überprüft werden sollen. Für die Frage, wie die eigentliche Ermittlungsschwelle des hinreichenden Anlasses bestimmt werden kann, ist mit dieser Abgrenzung aber nicht viel gewonnen. Immerhin zeigt sich, dass Fahndungsmethoden im Einzelfall tatsächlich einer "Rasterung" oder Ermittlung "ins Blaue hinein" ähneln können (s. Rz. 218 ff.).
Rz. 476
Neben dem hinreichenden Anlass als entscheidender Voraussetzung für ein Auskunftsersuchen sind stets auch die allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen der Verhältnismäßigkeit zu beachten, die im Fall von Sammelauskunftsersuchen einer besonderen Prüfung bedürfen. Das Ersuchen muss zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und, gemessen an der Bedeutung der Angelegenheit für das Allgemeininteresse an einer möglichst gleichmäßigen Festsetzung und Verwirklichung der Steueransprüche, auch für die geschäft...