Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
1. Ahndung
Rz. 72
Liegen keine Verfahrenshindernisse vor und hält die BuStra (HZA) nach Aufklärung des Sachverhalts eine Steuerordnungswidrigkeit für erwiesen und deren Ahndung mit einer Geldbuße nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 47 Abs. 1 OWiG) für geboten, so erlässt sie gegen den Betroffenen einen Bußgeldbescheid (vgl. § 65 OWiG). Als zulässige Sanktion kann im Bußgeldbescheid nur eine Geldbuße (Näheres s. § 377 Rz. 27 und 85 ff.) verhängt oder eine Nebenfolge (s. Rz. 139) angeordnet werden.
Rz. 73
Ausnahmsweise wird die Steuerordnungswidrigkeit nicht durch einen Bußgeldbescheid, sondern durch Strafbefehl oder Urteil/Beschluss, in folgenden Fällen geahndet:
- die FinB verfolgt eine Steuerstraftat, die mit einer Steuerordnungswidrigkeit zusammenhängt, und beantragt, gem. § 410 Abs. 2, § 400 AO den Strafbefehl auf die Steuerordnungswidrigkeit zu erstrecken (Ahndung durch Strafbefehl);
- der Betroffene legt Einspruch gegen den Bußgeldbescheid der FinB ein (Ahndung durch Urteil oder Beschluss, §§ 71, 72, 79 Abs. 5 und 6 OWiG; s. Rz. 111, 112);
- die StA erstreckt die öffentliche Klage auf eine mit der Straftat zusammenhängende Steuerordnungswidrigkeit (§§ 64, 83 OWiG; Ahndung durch Urteil oder Strafbefehl);
- im Strafverfahren beurteilt das Gericht die Tat nur als Steuerordnungswidrigkeit (§ 82 OWiG; Ahndung durch Urteil).
2. Rechtsnatur und Wirkung
Rz. 74
Der Bußgeldbescheid ist ein Verwaltungsakt besonderer Art, der sowohl Verwaltungshandeln als auch Justizhandeln beinhaltet. Die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten durch einen Bescheid der Verwaltungsbehörden verstößt nach Auffassung des BVerfG und nach fast einhelliger Meinung im Schrifttum nicht gegen Verfassungsrecht. Gerade die inzwischen deutlich angestiegene Höhe der bei Steuerordnungswidrigkeiten zulässigen Geldbuße (für vorsätzliche Gefährdungshandlungen bei § 379 AO von 5.000/10.000/25.000 EUR, bei §§ 381, 382 AO bis zu 5.000 EUR, bis zu 10.000 EUR bei § 383b AO und 25.000 EUR bei § 380 AO bis hin zu 50.000 EUR bei § 378 Abs. 2, § 383 AO bzw. § 26a Abs. 3 UStG bis zu 30.000 EUR) macht deutlich, dass der Bußgeldbescheid den Betroffenen weit empfindlicher treffen kann als eine sog. Kriminalstrafe in Geld.
Vorläufig ist der Bußgeldbescheid (ebenso wie der Strafbefehl) insofern, als sein Bestand davon abhängt, ob sich der Betroffene mit ihm abfindet. Unterwirft er sich nicht (d.h. legt er Einspruch ein), so wird der Bußgeldbescheid nicht etwa wie bei einem gerichtlichen Urteil von der übergeordneten Instanz nur auf seine Zulässigkeit und Begründetheit nachgeprüft, sondern er wird hinfällig und damit – soweit er eine Unrechtsfolge ausspricht – rechtlich nicht mehr existent. Eine Wirkung entfaltet der Bußgeldbescheid nur insofern, als er für das sich anschließende gerichtliche Verfahren den Untersuchungsgegenstand begrenzt. Der Richter hat aber ansonsten eine neue und eigene Bußgeldentscheidung zu treffen, da der Bußgeldbescheid nach dem Einspruch des Betroffenen nur noch die Bedeutung einer Beschuldigung hat.
3. Erlass und Zustellung
Ergänzender Hinweis: Nr. 113, 116 AStBV (St) 2020 (s. AStBV Rz. 113, 116)
Rz. 75
Der Bußgeldbescheid wird schriftlich erlassen. Der Bußgeldbescheid ist erlassen, sobald er vom zuständigen Sachbearbeiter unterzeichnet ist. Bußgeldbescheide wegen Steuerordnungswidrigkeiten werden in der Praxis durch den Sachgebietsleiter der BuStra bzw. durch seinen geschäftsplanmäßigen Vertreter unterschrieben. Maßgebend ist der im Datumsvermerk angegebene Zeitpunkt der Unterzeichnung. Eine handschriftliche Unterzeichnung ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Bei den im EDV-Verfahren maschinell hergestellten Bußgeldbescheiden ist dies das ausgedruckte Datum des Bescheids.
Ein Bußgeldbescheid ist aber auch ohne Unterschrift wirksam, wenn er ersichtlich die gewollte Willenserklärung der Verwaltungsbehörde ist, ihm also die Entscheidung des zuständigen Verwaltungsangehörigen zugrunde liegt.
Der Zeitpunkt des Erlasses ist bedeutsam für die Verjährungsunterbrechung gem. § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG. Der Erlass des Bußgelbescheids unterbricht die Verjährung nur, wenn er binnen zwei Wochen zugestellt wird. Erfolgt die Zustellung später, so wird die Verjährung erst durch sie unterbrochen.
Rz. 76
Bis zur Bekanntgabe an den Betroffenen kann zudem die FinB den Bußgeldbescheid zurücknehmen oder abändern. Nach Zustellung und vor Einlegung eines Einspruchs sind sachliche Änderungen unzulässig; eine Rücknahme ...