Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
1. Zuständigkeit bei Verfolgungsmaßnahmen
Rz. 21
Verfolgungsmaßnahmen bei der Aufklärung von Steuerordnungswidrigkeiten darf das Gericht (AG) nur in Ausnahmefällen vornehmen, und zwar nur als "Notverwaltungsbeamter" oder als Notstaatsanwalt nach Maßgabe der §§ 165, 166 StPO (vgl. § 46 Abs. 1 OWiG, s. § 385 Rz. 116). Danach sind Untersuchungshandlungen des Amtsrichters einmal dann zulässig, wenn bei Gefahr im Verzug die zuständige FinB (in Ausnahmefällen die StA) nicht erreichbar ist (§ 165 StPO). Diese Voraussetzungen dürften in der Praxis kaum vorliegen.
Beispiel
Während der Vernehmung eines wegen Betrugs verdächtigen Kaufmanns erfährt der Ermittlungsrichter Tatsachen, die Anhaltspunkte für eine Zollordnungswidrigkeit bieten. Unter den Voraussetzungen des § 165 StPO darf der Richter die Beschlagnahme der Gegenstände anordnen, auf die sich die Ordnungswidrigkeit bezieht.
Rz. 22
Daneben ist bei einer richterlichen Vernehmung des Betroffenen der Amtsrichter auf Antrag zur selbständigen Erhebung von erheblichen Beweisen zuständig, sofern der Verlust der Beweise zu besorgen ist oder die Beweiserhebung die Freilassung des Betroffenen begründen kann (§ 166 StPO). In den genannten Fällen tritt der Amtsrichter zwar vorübergehend an die Stelle der FinB. Seine Tätigkeit beschränkt sich aber nur auf einzelne Verfolgungsmaßnahmen. Er darf daher nicht über das gesamte Verfahren verfügen, es z.B. gem. § 47 OWiG einstellen (vgl. § 167 StPO).
2. Zuständigkeit für die Ahndung
Rz. 23
Während die FinB für die Ahndung von Steuerordnungswidrigkeiten nur in einem Vorschaltverfahren zuständig ist (s. Rz. 72 f.), steht diese Kompetenz in allen anderen Fällen den Gerichten zu, und zwar
- wenn der Betroffene Einspruch gegen den Bußgeldbescheid der FinB eingelegt hat (§§ 67 ff. OWiG),
- wenn die StA die Verfolgung einer Steuerordnungswidrigkeit wegen Zusammenhangs mit einer Steuerstraftat übernommen hat (§ 45 OWiG) oder
- die FinB gem. § 410 Abs. 2, § 400 AO beantragt, den Strafbefehl auf die mit einem Steuervergehen zusammenhängende Steuerordnungswidrigkeit zu erstrecken;
- im Wiederaufnahmeverfahren (§ 85 Abs. 4 Satz 1 OWiG; s. Rz. 135 f.);
- im Nachverfahren (§ 87 Abs. 4 Satz 2 OWiG; s. Rz. 140);
- im Strafverfahren, soweit es auf den rechtlichen Gesichtspunkt einer Steuerordnungswidrigkeit ankommt (§ 82 OWiG).
Rz. 24
Hinsichtlich der Zuständigkeit ist zu unterscheiden:
Was zunächst die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Rahmen eines Strafverfahrens anbelangt, sind die §§ 45, 82 sowie § 83 OWiG heranzuziehen. Nach § 45 OWiG ist für die Ahndung der Ordnungswidrigkeit das Gericht zuständig, das für die Strafsache zuständig ist. Dies bestimmt sich nach den §§ 1 ff. StPO.
Rz. 25
Im Bußgeldverfahren ist bei der Zuständigkeit im Verfahren nach Einlegung eines Einspruchs zu unterscheiden: