Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 4
Die in § 411 AO genannten Berufsgruppen sind abschließend, d.h. erfasst werden nur Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer (vgl. § 3 Nr. 1–3 StBerG), sowie auch ausländische Dienstleister, die zur vorübergehenden und gelegentlichen geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind, wenn die Beratung bzw. Dienstleistung vom Niederlassungsstaat des ausländischen Dienstleisters erbracht wird (vgl. §§ 3a–3c StBerG n.F.). Die Beratungsleistung muss also nicht mehr zwingend vom Inland aus erbracht werden.
Rz. 4.1
Nicht erfasst sind aber z.B. Notare, auch wenn diese gem. § 4 StBerG zur (beschränkten) Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind. Bei gleichzeitiger Zugehörigkeit zu mehreren Berufsgruppen haben alle zuständigen Berufskammern ein Recht auf Beteiligung, wobei aber in der Praxis nur die Kammer eingeschaltet wird, mit deren Berufsbereich die Pflichtverletzung in Zusammenhang steht.
Rz. 4.2
Bei Notaren dürfen die FinB gem. § 64a Abs. 2 BNotO Mitteilungen an die Notaraufsichtsbehörden machen. Darin darf nur die Höhe der Steuerrückstände genannt werden, nicht aber durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen (§ 64a Abs. 2 Satz 3 BNotO). Nach Ansicht der Finanzverwaltung gilt dies aber nicht, wenn gleichzeitig eine Mitteilungspflicht der FinB wegen Berufspflichtverletzungen nach § 10 Abs. 1 i.V.m. § 4 Nr. 1 StBerG (s. dazu Rz. 13 f.) besteht. Webel widerspricht dem zu Recht, da bei dieser Sichtweise der Schutzbereich des § 64a Abs. 2 BNotO leerlaufen würde. Diese Norm geht vielmehr als lex specialis dem § 10 StBerG vor.
Rz. 5
Der Berufsangehörige muss eine Steuerordnungswidrigkeit i.S.d. § 377 Abs. 1 AO (s. § 377 Rz. 4 ff. sowie die Aufzählung in Nr. 105–108 AStBV (St) 2020, s. AStBV Rz. 105) begangen haben (zumeist eine leichtfertige Steuerverkürzung infolge falscher Beratung gem. § 378 Abs. 1 Alt. 2 AO, s. § 378 Rz. 16 ff.). Verstöße gegen Berufs- oder Standespflichten (z.B. §§ 160–163 StBerG) zählen nicht dazu (s. § 377 Rz. 14, 204 ff.; s. aber unten Rz. 13 zu der Mitteilungsmöglichkeit gem. § 10 StBerG). Bei einem Bußgeldverstoß eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters gegen das Geldwäschegesetz (z.B. wegen Verletzung der Identifizierungs-,Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs-, Melde- und Duldungspflichten, § 56 GwG; s. dazu § 377 Rz. 298 ff.) findet § 411 AO wegen fehlender Verweisung keine Anwendung. Sie unterliegen insofern aber auch der Aufsicht durch die jeweiligen Berufskammern (vgl. § 50 Nr. 3–7a GwG).
Eine Parallelvorschrift für das Steuerstrafverfahren fehlt. Im Verfahren wegen einer (Steuer-)Straftat gegen einen Berufsangehörigen gelten Unterrichtungspflichten nach Maßgabe der Nr. 23 und 24 MiStra (s. Rz. 12).
Rz. 6
Der Betroffene muss die Steuerordnungswidrigkeit "in Ausübung seines Berufs bei der Beratung in Steuersachen" begangen haben. Tätigkeiten, die lediglich "bei Gelegenheit" einer solchen Beratung ausgeübt wurden oder mit ihr in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen (z.B. Beratung hinsichtlich einer Testamentsvollstreckung), fallen nicht hierunter; ebenso wenig private Gefälligkeiten.
Wie sich aus der Formulierung "bei der Beratung" ergibt, erstreckt sich die Vorschrift nicht auf Steuerordnungswidrigkeiten, die der Berufsangehörige in"eigener Sache" begangen hat, so dass Tätigkeiten als Geschäftsführer oder Vorstand ausgenommen sind. Zur Mitteilung gem. § 10 StBerG in diesen Fällen s. Rz. 22.
Der Begriff der "Steuersachen" ist in § 1 StBerG näher umschrieben.