Die §§ 73 ff. StGB finden sich in den Regelungen über die Rechtsfolgen der Tat. Den Vorschriften liegt der Grundgedanke der Entziehung bestimmter, in irgendeiner Weise in die Tat verwickelter Gegenstände zugrunde (vgl. Eser/Schuster in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, Vorb. § 73 Rz. 1). Mit den auch für das Steuerstrafrecht maßgeblichen Regelungen über die Einziehung von Taterträgen in den §§ 73 bis 73e StGB sollen Gewinne oder sonstige erlangte Vermögenswerte abgeschöpft werden (vgl. Eser/Schuster in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, Vorb. § 73 Rz. 2).
Ausgangspunkt jeder Einziehungsentscheidung ist die Grundnorm des § 73 StGB (vgl. Eser/Schuster in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 73 Rz. 1). Nach dieser Vorschrift gilt für die Einziehung von Taterträgen Folgendes:
- Es muss zunächst eine rechtswidrige Straftat als "Anknüpfungstat" vorliegen (vgl. Bröckers in Peters/Bröckers, Vermögensabschöpfung im Strafverfahren (2019), Teil 6, Rz. 109 f.);
- aus dieser rechtswidrigen Tat muss der Täter "etwas erlangt" haben;
- zwischen Anknüpfungstat und dem erlangten Vermögensvorteil muss eine kausale Verknüpfung bestehen, vgl. Bröckers in Peters/Bröckers, Vermögensabschöpfung im Strafverfahren, Teil 6 Rz. 120).
Als "erlangtes Etwas" aus dieser rechtswidrigen Tat ist jeder Vermögenswert gemeint, den der Tatbeteiligte durch die rechtswidrige Tat erlangt hat (vgl. BGH v. 8.2.2018 – 3 StR 560/17, NJW 2018, 2141).
Die Steuerstraftat i.S.d. § 369 AO wird von dem Recht der Einziehung als taugliche Anknüpfungstat erfasst. Die Finanzverwaltung ist dabei "Verletzte" i.S.d. §§ 73 ff. StGB (vgl. Wilke, wistra 2019, 81, 83 m.w.N.). Der abschöpfbare Vermögensvorteil besteht bei der Steuerhinterziehung in den ersparten Aufwendungen, indem der Steuerpflichtige seine Steuer nicht oder nicht vollständig entrichtet hat (vgl. Lohse in LK/StGB, Bd. 6, 13. Aufl. 2020, § 73 Rz. 27).
Herausgabeverpflichtung: Liegen die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 StGB vor, sind Art und Umfang der Herausgabeverpflichtung zu prüfen. Zu unterscheiden ist zwischen
- der Einziehung des originären Tatertrags nach § 73 StGB und
- der Wertersatzeinziehung nach § 73c StGB
(vgl. Bröckers in Peters/Bröckers, Vermögensabschöpfung im Strafverfahren, Teil 6 Rz. 147). Da die durch eine Steuerhinterziehung ersparten Steuern nicht als originärer Tatertrag abgeschöpft werden können, unterliegen sie der Wertersatzeinziehung nach § 73c StGB (vgl. Tormöhlen, AO-StB 2017, 380, 381).
Umfang und Wert des Erlangten, Höhe des Wertersatzes: Die Bestimmung des Werts des Erlangten bestimmt sich nach § 73d StGB. Umfang und Wert des Erlangten, auch die Höhe des Wertersatzes einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen, können gem. § 73d Abs. 2 StGB geschätzt werden. Die Höhe der Schätzung richtet sich dabei i.d.R. nach dem im Urteil festgestellten Steuerschaden (vgl. Peters in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 399 AO Rz. 61.2 [Mai 2020]).
Unzulässigkeit des Einspruchs nach Erlöschen des Steueranspruchs: Die Einziehung des Vermögensvorteils nach §§ 73–73c StGB ist jedoch nach § 73e Abs. 1 S. 1 StGB ausgeschlossen, soweit der Anspruch, der dem Geschädigten aus der Tat auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Werts des Erlangten erwachsen ist, erloschen ist. Im Fall des Erlöschens des Steueranspruchs nach den Voraussetzungen des § 47 AO ist eine Einziehung daher grundsätzlich unzulässig.
Beraterhinweis Grundsatz: Während im Zivilrecht die Verjährung lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht begründet (vgl. § 214 Abs. 1 BGB), hat die Verjährung des Anspruchs im Steuerrecht nach § 47 AO das Erlöschen des Anspruchs zur Folge. Gleiches gilt für die Verjährung einer Zollschuld nach Art. 124 Abs. 1 Buchst. a UZK.
Ausnahme: Nach § 73e Abs. 1 S. 2 StGB ist das Erlöschen der Steuerforderung durch steuerrechtliche Verjährung nach § 47 AO i.V.m. den §§ 169–171 AO, §§ 228–232 AO, also durch Festsetzungs- oder Zahlungsverjährung, für den Ausschluss der Einziehung nach § 73e Abs. 1 S. 1 StGB unbeachtlich (vgl. Lohse in LK/StGB, Bd. 6, 13. Aufl. 2020, § 73e Rz. 7).