OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung v. 7.7.2014, S 2241 - 2014/0015 - St 113
1. Bürgschaftsübernahme durch Kommanditisten – Allgemeine Grundsätze
Die Übernahme einer Bürgschaft durch einen Kommanditisten für Verbindlichkeiten der KG aus betrieblichen Gründen hat keinen Einfluss auf die Höhe des laufenden Gewinns / Verlusts der Gesellschaft; die Bürgschaftsübernahme führt auch nicht zu Sonderbetriebsausgaben des betreffenden Kommanditisten. Droht die Inanspruchnahme des Kommanditisten aus der Bürgschaft oder wurde er bereits aus der Bürgschaft in Anspruch genommen, kann er in seiner Sonderbilanz keine Rückstellung bilden bzw. keine Verbindlichkeit einstellen (vgl. Urteil des BFH vom 21.6.1989, BStBl 1989 II S. 881). Die in Erfüllung einer Bürgschaftsverpflichtung geleisteten Zahlungen sind einkommensteuerlich als Kapitaleinlage zu beurteilen. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass die Übernahme der Bürgschaft und die Zahlung der Bürgschaftssumme auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhende Beitragsleistungen des Kommanditisten darstellen, die während des Bestehens der Gesellschaft keinen Ersatzanspruch des Kommanditisten begründen. Eine Einlage liegt vielmehr auch vor, wenn dem Kommanditisten zivilrechtlich als Folge der Bürgschaftsleistung ein selbständiger, noch nicht erfüllter Ersatzanspruch gegenüber der KG oder den persönlich haftenden Gesellschaftern zusteht. Ein etwaiges Wertloswerden einer solchen Forderung, die zum Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten gehört, wirkt sich nicht schon im Zeitpunkt der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft, sondern erst mit der Beendigung der Gesellschaft oder einer vorherigen Betriebsaufgabe der Gesellschaft steuerlich aus (vgl. Urteile des BFH vom 4.7.1974, BStBl 1974 II S. 677; vom 12.7.1990, BStBl 1991 II S. 64 und vom 19.1.1993, BStBl 1993 II S. 594; Hinweis auf 3.)
2. Verlustzurechnung bei negativem Kapitalkonto und vorzeitige Nachversteuerung des negativen Kapitalkontos eines Kommanditisten
Nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10.11.1980 (BStBl 1981 II S. 164) können einem Kommanditisten Verlustanteile aus der Gesellschaftsbilanz insoweit nicht mehr zugerechnet werden, als nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag feststeht, dass ein Ausgleich des durch die Verluste aus der Gesellschaftsbilanz entstehenden oder sich erhöhenden negativen Kapitalkontos mit künftigen Gewinnanteilen des Kommanditisten nicht mehr in Betracht kommt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, können dem Kommanditisten laufende Verlustanteile aus der Gesellschaftsbilanz (einschließlich der Ergebnisse sogenannter Ergänzungsbilanzen) selbst dann nicht mehr zugerechnet werden, wenn sich der Kommanditist für Verbindlichkeiten der KG verbürgt hat.
Im Falle eines Verlustes der KG ist daher in jedem Fall zunächst zu entscheiden, ob einem Kommanditisten nach den vorstehenden Grundsätzen Verlustanteile aus der Gesellschaftsbilanz noch zugerechnet werden können. Nur soweit eine Verlustzurechnung in Betracht kommt, ist zu prüfen, ob § 15a EStG anzuwenden ist (vgl. H 15a: Allgemeines EStH).
Steht fest, dass ein Ausgleich des negativen Kapitalkontos mit künftigen Gewinnanteilen des Kommanditisten nicht mehr in Betracht kommt, ergibt sich bereits zu diesem Zeitpunkt in Höhe des negativen Kapitalkontos ein laufender nicht begünstigter Gewinn (vgl. den oben angegebenen Beschluss des BFH). Sind jedoch in dem Veranlagungszeitraum, in dem die vorzeitige Nachversteuerung des negativen Kapitalkontos erfolgt, auch die Voraussetzungen des § 52 Abs. 19 Satz 4 EStG erfüllt, ist der Gewinn nach §§ 16, 34 EStG begünstigt. § 52 Abs. 19 Satz 4 EStG ist dabei auch anzuwenden, wenn eine KG aufgelöst wird und der Kommanditist sein negatives Kapitalkonto nicht ausgleichen muss (Urteil des BFH vom 11.8.1994, BStBl 1995 II S. 253). Der vorzeitigen „Nachversteuerung” unterliegt das durch Verlustanteile entstandene negative Kapitalkonto der Gesellschaftsbilanz einschließlich Ergänzungsbilanz. Dies gilt auch, soweit bisher zu Unrecht eine vorzeitige Nachversteuerung unterblieben ist. Die Nachversteuerung kann nach den Grundsätzen der Bilanzberichtigung nachgeholt werden (Urteile des BFH vom 11.2.1988, BStBl 1988 II S. 825; vom 10.12.1991, BStBl 1992 II S. 650 und vom 28.1.1992, BStBl 1992 II S. 881).
Soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten auf Entnahmen zurückzuführen ist, scheidet eine vorzeitige Nachversteuerung aus. In Höhe dieser Entnahmen entsteht jedoch ein Gewinn im Zeitpunkt der Auflösung der KG bzw. des Ausscheidens des Kommanditisten, soweit dieser nicht zu Ausgleichszahlungen verpflichtet ist.
Ein positives Kapitalkonto in der Sonderbilanz des Kommanditisten mindert das vorzeitig „nachzuversteuernde” negative Kapitalkonto nicht. Dementsprechend können sich auch Bürgschaftszahlungen eines Kommanditisten, die zivilrechtlich keine auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhende Beitragsleistungen darstellen, auf die Höhe des vorzeitig nachzuversteuernden negativen Kapitalkontos nicht auswirken, denn die aufgrund ...