Die Kompetenzentwicklung hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Wie eine Studie, die nach den Einflussfaktoren auf die Kompetenz der Kreativität fragt, an unabhängig voneinander aufgewachsenen Zwillingen belegt, ist z.B. der IQ zu 80 Prozent genetisch veranlagt, Kreativität hingegen nur zu 33 Prozent. Wie Kompetenzen darüber hinaus entwickelt werden, wird sowohl auf der persönlichen Ebene als auch auf der strukturellen Ebene des Umfelds bestimmt. So kann kreative Lösungsfindung (mehr denn je relevant in Steuerkanzleien) bei zwei Personen ganz unterschiedlich aussehen. Ein Mitarbeiter sitzt womöglich eine Woche lang im Büro und denkt nach; während eine andere Mitarbeiterin sich bei verschiedenen Personen mit unterschiedlichen (Unternehmens-)Hintergründen Meinungen einholt, indem sie sowohl sich selbst als auch andere nach Risiken und Chancen bestimmter Optionen befragt. Wenn Sie für Ihre Kanzleientwicklung mehr Kreativität brauchen, gibt es zwei unterschiedliche Ansatzpunkte: Das Persönliche und das strukturelle Umfeld, das bspw. bei der Kreativität viel wichtiger ist.
Wir Menschen tendieren natürlicherweise dazu, das Verhalten einer Person in deren Persönlichkeitseigenschaften, Einstellungen und Meinungen begründet zu sehen, auch im Arbeitsumfeld und im Umgang mit Veränderungen die eigene Arbeit betreffend. Dadurch werden Persönlichkeitseigenschaften überschätzt und die äußeren situativen Einflüsse und Rahmenbedingungen systematisch und dramatisch unterschätzt. Wenn Mitarbeiter*innen zu wenig tun, um ihr Wissen beispielsweise bezüglich Digitalisierung fortzubilden, liegt dies keineswegs zwangsläufig an fehlendem Willen, sondern an den Rahmenbedingungen von Zeit und Budget, die die Kanzlei zur Verfügung stellt.
Während Sie Persönlichkeitscharakter naturgemäß nicht grundsätzlich ändern können, liegt der Vorteil für Führungsarbeit in der Möglichkeit, Rahmenbedingungen der Arbeit in der Kanzlei zu gestalten. Sie können also bei der Struktur und beim sozialen Umfeld in der Kanzlei ansetzen und viel entwickeln – und so z.B. Gruppendynamik erzeugen, die andere Mitarbeiter mitreißt, überzeugt, motiviert.
Das Kompetenzmanagement bietet als Lösung "operative Herausforderungen" durch Qualitätsansatz. Wie die persönliche werden auch die soziale und die strukturelle Ebene in Motivation und Fähigkeiten bzw. Ermöglichung gegliedert. Hier können Sie ansetzen, indem Sie das soziale "Gruppen-Wir" stärken, indem Sie Werte und Dynamik in Ihrer Kanzlei bewusst und nutzbar machen und sozusagen einen "Gruppenzwang" schaffen. Zudem stellt die Kompetenz des Einzelnen eine Unterstützung der Gruppe dar. Auf struktureller Ebene der Rahmenbedingungen und Umwelt, sozusagen in Ihrem Kanzlei-Biotop, können Sie mit Verantwortung und Anreizen Motivation beim Personalteam schaffen und das Arbeitsumfeld mit Tools, Prozessen und Standards gestalten.
Fokussieren Sie sich zunächst auf die Rahmenbedingungen für Arbeit und Kompetenzentwicklung in der Kanzlei, danach auf individuelle Zielvereinbarungen mit Ihren Mitarbeitern.
Aus der Praxis exzellenter Kanzleien lassen sich Ansatzpunkte für ein Kompetenzmanagement auf allen drei Ebenen entnehmen.
Abb. 1: Ebenen der Kompetenzentwicklung, nach Patterson et.al: Influencer – the Power of Changing Anything