Leitsatz
1. Will die Finanzbehörde nach Eingang einer wegen des Vorliegens eines Sperrgrunds nicht wirksamen strafbefreienden Erklärung zunächst ergangene Steuerbescheide ändern, dann muss sie nicht zuvor die nach § 10 Abs. 2 S. 1 StraBEG bewirkte Steuerfestsetzung aufheben.
2. I.S.d. § 7 S. 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG ist eine Tat entdeckt, wenn nach den für den Betroffenen erkennbaren Verdachtsmomenten von der Wahrscheinlichkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung auszugehen ist.
Normenkette
§ 7, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 2 und 3 StraBEG, § 371 Abs. 2 AO
Sachverhalt
Der Kläger betrieb ein Einzelunternehmen als Ausbeiner. Nachdem das FA für die Streitjahre die ESt, GewSt und USt erklärungsgemäß festgesetzt hatte, erhielt es von einem anderen FA eine Kontrollmitteilung (KM), nach der der Kläger von der F-GmbH für diverse Ausbeinarbeiten Zahlungen erhalten hatte. In einer Anlage zu der KM waren die in den Streitjahren gegenüber der F-GmbH insgesamt ausgestellten Rechnungen des Klägers im Einzelnen unter Angabe des jeweiligen Rechnungsdatums, des Bruttorechnungsbetrags und der darin enthaltenen USt dargestellt.
Diesen Bruttorechnungsbeträgen stellte der Sachbearbeiter des FA die vom Kläger für die Streitjahre jeweils erklärten Bruttoumsätze gegenüber. Das FA wies den damaligen Steuerberater des Klägers unter Auflistung der in der Kontrollmitteilung für die Streitjahre jeweils ausgewiesenen Gesamtumsätze auf erhebliche Differenzen zu den erklärten Umsätzen hin und bat um Überprüfung und Stellungnahme.
Mehr als 4 Monate später übersandte der Kläger einen unterschriebenen Vordruck "Strafbefreiende Erklärung" und gab in dieser Erklärung aufgrund unrichtiger, unvollständiger oder unterlassener Angaben nicht besteuerte Einnahmen für die Streitjahre an.
Das FA erließ geänderte Steuerbescheide und erhöhte die gewerblichen Einkünfte des Klägers um den für das jeweilige Jahr in der strafbefreienden Erklärung angegebenen Betrag der nicht besteuerten Einnahmen. Dabei wies das FA darauf hin, die strafbefreiende Erklärung könne nicht anerkannt werden, da dem FA bereits vor dem Eingang der "strafbefreienden Erklärung" bekannt gewesen sei, dass die Einnahmen nicht in der tatsächlichen Höhe erklärt worden seien. Dagegen wandte sich der Kläger und machte geltend, die Bescheide seien rechtswidrig, weil von ihm eine wirksame strafbefreiende Erklärung abgegeben worden sei.
Einspruch und Klage vor dem FG (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.06.2006, 1 K 2590/05, Haufe-Index 1768240, EFG 2007, 1312) hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH war ebenfalls der Auffassung, dass in diesem Fall wegen der Tatentdeckung keine Straf- und Bußgeldfreiheit eingetreten sei, und wies die Revision als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Durch das Ende 2003 geschaffene Steuerbefreiungserklärungsgesetz (StraBEG) sollte den Steuerpflichtigen die Möglichkeit gegeben werden, durch Abgabe einer steuerbefreienden Erklärung und Zahlung einer pauschalen Steuer Straf- und Bußgeldbefreiung zu erlangen. Die steuerbefreiende Erklärung musste bis spätestens Ende März 2005 abgegeben worden sein. Die sich hieraus ergebenden Rechtsfragen beschäftigen die Gerichte noch immer.
2. Die Straf- oder Bußgeldfreiheit trat gem. § 7 S. 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG dann nicht ein, wenn die Tat bereits entdeckt war und der Erklärende dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.
3. Wann eine solche Tatentdeckung gegeben ist, muss nach Ansicht des BFH normspezifisch ausgelegt werden. Mit dem StraBEG verfolgte der Gesetzgeber den Zweck, "eine Brücke in die Steuerehrlichkeit einzuführen". Dieser Zweck kann dann nicht mehr erreicht werden, wenn für den Betroffenen bereits vor Abgabe der strafbefreienden Erklärung erkennbar ist, dass die Finanzbehörde auch ohne sein Zutun in der Lage sein wird, die steuerliche Verfehlung zu ahnden. In einem solchen Fall würde die Anerkennung der steuerlichen Abgeltungswirkung gem. § 8 Abs. 1 S. 1 StraBEG nicht auf einem Akt tätiger Reue und damit freiwillig, sondern auf einem bloßen Mitnahmeeffekt beruhen, den der Gesetzgeber durch die Ausschlussgründe des § 7 StraBEG verhindern will. Deshalb ist es geboten, dass sich die entdeckte Tat i.S.d. StraBEG nach den Verdachtsmomenten bestimmt, welche hinreichend sind, um von der Wahrscheinlichkeit einer (strafgerichtlichen) Verurteilung auszugehen.
4. Diese Betrachtungsweise, die sich an den für den Betroffenen erkennbaren Umständen ausrichtet, belässt ihm die Möglichkeit, nicht von dem Verdachtsmoment erfasste andere unzutreffende Besteuerungsgrundlagen (z.B. hinreichender Verdacht zu gering erklärter Betriebseinnahmen, kein Verdacht der Nichtangabe von Einnahmen aus Kapitalvermögen) wirksam in einer strafbefreienden Erklärung aufzudecken. Denn insoweit handelt der Betroffene typisierend betrachtet weiterhin freiwillig.
5. In subjektiver Hinsicht setzt die Tatentdeckung voraus, dass die der Finanzbehörde bekannten Informationen den für die strafgerichtliche Verurteilung erforderlichen Hinterziehun...