Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
2.1 Sachverhalt
Die A-GmbH aus Aachen (DE) hat einen potenziellen Kunden K in Kolding (DK), dessen dänische USt-IdNr. der A-GmbH auch vorliegt. Am 15.2.2022 transportiert die A-GmbH 20 Elektromotoren nach Kolding, die K in Maschinenanlagen einzubauen beabsichtigt. Mit dem Transport nach Dänemark ist noch keine Verschaffung der Verfügungsmacht an den Gegenständen verbunden (Transport in ein Konsignationslager), es kann aber nur K auf diese Gegenstände zugreifen. Im März und im April 2022 entnimmt K jeweils 10 Motoren, um sie bestimmungsgemäß zu verwenden. Mit Entnahme der Motoren geht jeweils die Verfügungsmacht auf K über, die Zahlungsverpflichtung von 2.000 EUR pro Motor (netto) wird von K zeitnah erfüllt.
2.2 Fragestellung
Die Beteiligten möchten wissen, welche umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen sich für sie ergeben. Alle notwendigen Aufzeichnungen werden von beiden Vertragsparteien zeitnah erfüllt.
2.3 Lösung
Die A-GmbH und auch K sind beide Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, die auch jeweils im Rahmen ihres Unternehmens handeln. Die A-GmbH unterhält bei K ein Konsignationslager.
Lager muss kein Gebäude sein
Ein Lager i. S. d. § 6b UStG kann ein Konsignationslager, aber auch ein Auslieferungslager sein. Dies muss kein festes Lager (Grundstück oder Gebäude) sein, sondern kann z. B. ein Container oder ein Eisenbahnwaggon sein. Es muss aber immer ermittelbar sein, wo sich die Gegenstände bis zur Entnahme durch den Kunden tatsächlich befinden.
Die A-GmbH befördert die 20 Motoren im Februar 2022 von Deutschland nach Dänemark, ohne ihrem feststehenden Vertragspartner schon die Verfügungsmacht an den Gegenständen zu verschaffen – Lieferungen i. S. d. § 3 Abs. 1 UStG liegen damit noch nicht vor. Da aber die Voraussetzungen des § 6b Abs. 1 UStG vorliegen, führt der Transport der Gegenstände zu keinem innergemeinschaftlichen Verbringen für die A-GmbH nach § 3 Abs. 1a und § 1a Abs. 2 UStG.
Verbringen ausdrücklich gesetzlich ausgeschlossen
Liegen die Voraussetzungen des § 6b UStG für eine Konsignationslagerlieferung vor, ist nach § 3 Abs. 1a Satz 3 und § 1a Abs. 2a UStG ein innergemeinschaftliches Verbringen zur eigenen Verfügung ausdrücklich ausgeschlossen.
Die folgenden Voraussetzungen des § 6b Abs. 1 UStG liegen vor:
- Die A-GmbH hat die Gegenstände in einen anderen Mitgliedstaat befördert, um diese dann später an einen feststehenden Kunden zu liefern. Nach den Sachverhaltsangaben sind auch der vollständige Name und die vollständige Anschrift des zukünftigen Leistungsempfängers (K) bekannt.
- Die A-GmbH hat in Dänemark keinen Sitz und keine Betriebsstätte.
- Der A-GmbH liegt schon zum Zeitpunkt des Transports die USt-IdNr. des bestimmten Abnehmers K aus Dänemark vor. Außerdem sollen die notwendigen Aufzeichnungen nach § 22 Abs. 4g UStG von K geführt werden.
- Die A-GmbH führt die notwendigen Aufzeichnungen nach § 22 Abs. 4f UStG und meldet den Vorgang zeitnah an das BZSt – die Anmeldung in der Zusammenfassenden Meldung funktioniert zwar organisatorisch derzeit noch nicht, es muss aber eine separate Meldung gegenüber dem BZSt erfolgen.
Gesonderte Meldung gegenüber dem BZSt
Die A-GmbH muss unter ihrer deutschen USt-IdNr. gegenüber dem BZSt den Transport der Gegenstände in das Konsignationslager in Dänemark melden. Die Meldung muss bis zu demselben Zeitpunkt abgegeben werden, zu dem auch die Zusammenfassende Meldung abzugeben ist. Die Meldung kann direkt über das Online-Formular, das auf dem Formularserver der Bundesfinanzverwaltung bereitgestellt ist, abgegeben werden. Das Formular kann aber auch offline ausgefüllt werden und dann authentifiziert von einer registrierten DE-Mail-Adresse an das DE-Mail-Postfach des BZSt übermittelt werden. In der Meldung ist unter der dänischen USt-IdNr. des K der Tatbestand "1" zu melden. Eine Bemessungsgrundlage ist nicht zu melden.
Im März und im April 2022 liegen jeweils Lieferungen von 10 Motoren vor, da jetzt dem feststehenden Abnehmer die Verfügungsmacht an den Gegenständen verschafft wird. Nach § 6b Abs. 2 UStG führt dies jeweils im März und im April 2022 – da alle Voraussetzungen der Konsignationslagerregelung erfüllt sind, insbesondere die Gegenstände innerhalb der 12-Monatsfrist an den feststehenden Unternehmer geliefert werden – für die A-GmbH in Deutschland zu steuerbaren, aber als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfreien Umsätzen. Die A-GmbH muss jeweils im März und April 2022 in der Zusammenfassenden Meldung (unter der USt-IdNr. des dänischen Käufers) und in der Umsatzsteuer-Voranmeldung innergemeinschaftliche Lieferungen mit einer Bemessungsgrundlage von (10 x 2.000 EUR =) 20.000 EUR melden.
Keine Registrierung des Lieferers im Bestimmungsmitgliedstaat
Die A-GmbH muss sich wegen der Lieferung der Motoren in Dänemark dort nicht umsatzsteuerrechtlich erfassen lassen. Würden die Voraussetzungen des § 6b UStG nicht vorliegen – z. B. weil mehrere Abnehmer auf die in dem Lager in Dänemark lagernden Gegenstände zugreifen könnten –, müsste ...