Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
3.1 Sachverhalt
Unternehmer U aus Deutschland hatte bei einem Kunden K (Unternehmer mit zutreffender USt-IdNr. aus den Niederlanden) 2020 in den Niederlanden eine Maschinenstraße errichtet. In den Vertragsbedingungen zur Errichtung dieser Maschinenstraße war vereinbart worden, dass U innerhalb eines Zeitraums von 5 Jahren notwendige Austausch- und Ersatzteile für diese Anlage vor Ort bereithalten muss. Eine Bezahlung der Austausch- und Ersatzteile erfolgt aber erst jeweils nach Verwendung durch K.
Im Januar 2022 versendet U von Deutschland aus das Bauteil B-1 (Selbstkosten 5.000 EUR), das Bauteil B-2 (Selbstkosten 6.000 EUR) sowie das Bauteil B-3 (Selbstkosten 8.000 EUR) zu K in die Niederlande. K, der bei Abschluss des Vertrags seine USt-IdNr. gegenüber U verwendet hatte, nimmt die Teile in seine Lagerräume (Konsignationslager) auf und führt die notwendigen Aufzeichnungen. Eine Zahlungsverpflichtung für K ergibt sich aber noch nicht, die Verfügungsmacht an den Gegenständen verbleibt bei U.
Wegen einer vom Kunden im April 2022 vorgenommenen Modifikation der Anlage werden die beiden Bauteile B-1 und B-2 nicht mehr für diese Maschinenstraße benötigt, sodass absprachegemäß das Bauteil B-1 Anfang Mai 2022 wieder zu U nach Deutschland zurückgesandt wird. Ebenfalls absprachegemäß wird gleichzeitig im April 2022 das Bauteil Typ B-2 zu einer selbstständigen Tochtergesellschaft des K ebenfalls in den Niederlanden transportiert, die das Ersatzteil noch nicht bezahlt und in ihr Konsignationslager aufnimmt. Es ist geplant, dass das Bauteil B-2 noch in 2022 an die Tochtergesellschaft von K – die gegenüber U ihre niederländische USt-IdNr. verwendet hat – geliefert werden soll.
Bauteil B-3 wird im August 2022 bei einem Einbruch in die Lagerräume des K von Unbekannten entwendet. Die Versicherung des U ersetzt ihm 5.000 EUR. Zum Zeitpunkt des Diebstahls lagern Waren im Wert von 50.000 EUR in dem Konsignationslager bei K.
3.2 Fragestellung
U möchte wissen, welche Konsequenzen sich für ihn aus den genannten Sachverhalten ergeben. Alle notwendigen Aufzeichnungen werden von allen Vertragsparteien zeitnah erfüllt.
3.3 Lösung
U ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, der selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht Umsätze tätigt. Er wird im Rahmen seines Unternehmens tätig.
Im Januar 2022 versendet U die Bauteile zu einem feststehenden Kunden in die Niederlande. Nach dem Sachverhalt sind zu diesem Zeitpunkt sowohl Name, Anschrift als auch die zutreffende USt-IdNr. des vorgesehenen Leistungsempfängers bekannt. Die weiteren Voraussetzungen des § 6b UStG sind zu diesem Zeitpunkt erfüllt (vgl. dazu auch den vorigen Sachverhalt), sodass kein innergemeinschaftliches Verbringen nach § 3 Abs. 1a Satz 3 und § 1a Abs. 2a UStG vorliegt.
Bis zum 25.2.2022 muss U in der Meldung gegenüber dem BZSt die Versendung in das Konsignationslager in die Niederlande unter der niederländischen USt-IdNr. des vorgesehenen Abnehmers melden und die notwendigen Aufzeichnungen nach § 22 Abs. 4f UStG vornehmen. Der vorgesehene Abnehmer K hat die entsprechenden Aufzeichnungen analog § 22 Abs. 4g UStG vorzunehmen, weitere umsatzsteuerrechtliche Konsequenzen ergeben sich für den Januar 2022 für beide Beteiligten nicht.
Im Mai 2022 gelangt das Bauteil B-1 aus dem Konsignationslager in den Niederlanden wieder nach Deutschland zurück. Grundsätzlich würde – da der Gegenstand jetzt nicht innerhalb von 12 Monaten an den vorgesehenen Abnehmer geliefert wird – das einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellte Verbringen nach § 6b Abs. 3 UStG ausgelöst werden. Da der Gegenstand aber wieder in den Ausgangsmitgliedstaat zurückgelangt und unter der Annahme, dass U das Zurückgelangen des Gegenstands ordnungsgemäß gem. § 6b Abs. 4 Nr. 2 UStG aufzeichnet, ergibt sich die Rechtsfolge des § 6b Abs. 3 UStG nicht. Neben den Aufzeichnungspflichten und einer entsprechenden Meldung gegenüber dem BZSt ergeben sich für U aus diesem Sachverhalt keine weiteren umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen.
Zurückgelangen muss gegenüber dem BZSt gemeldet werden
U muss für den Meldezeitraum Mai 2022 gegenüber dem BZSt die Meldung über Beförderung oder Versendung i. S. d. § 6b Abs. 1 UStG abgeben, in der unter der USt-IdNr. des ursprünglich geplanten Abnehmers (also in diesem Fall der niederländischen USt-IdNr. des K) der Vorgang mit dem Tatbestand „2“ zu melden ist. Eine Bemessungsgrundlage ist nicht zu melden.
Das Auswechseln des Leistungsempfängers (für Bauteil B-2) im April 2022 ist ebenfalls eine für die Konsignationslagerregelung unschädliche Änderung. Voraussetzung ist dafür, dass die Tochtergesellschaft des K gegenüber U die ihr von den Niederlanden erteilte USt-IdNr. verwendet hat, der vollständige Name und die vollständige Anschrift der Tochtergesellschaft dem U bekannt sind und dass U den Erwerberwechsel nach § 22 Abs. 4f UStG gesondert aufzeichnet. Die vertragliche Vereinbarung für die Substitution muss bereits am Tag des Wirksamwerdens des Erlöschens der bisherigen Vereinbarung wirksam abgeschlossen sein.