Die Anschaffungskosten des Erwerbs (sowie der Zeitwert eventueller Altanteile) sind vorrangig auf die identifizierbaren Vermögenswerte und Schulden des erworbenen Unternehmens zu verteilen (IFRS 3.32). Nur ein verbleibender Unterschiedsbetrag ist als goodwill anzusetzen bzw. als negativer Unterschiedsbetrag erfolgswirksam zu vereinnahmen. Für den Ansatz und die Bewertung der Einzelposten sind die Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden beim Veräußerer unwichtig. Das erworbene Vermögen ist hinsichtlich seiner Bilanzierungsfähigkeit und Bewertung neu zu beurteilen. Hierbei kommt es ggf. auch zum Ansatz von Vermögenswerten und Schulden, die beim Veräußerer nicht bilanziert waren.
Betroffen sind vor allem immaterielle Vermögenswerte, die aus Sicht des erworbenen Unternehmens originär (hergestellt) sind, aus Sicht der Erstkonsolidierung aber als angeschafft gelten. Zwar kommt nach IAS 38 unter Umständen eine Aktivierung auch schon beim erworbenen Unternehmen infrage, allerdings können die Kosten des erworbenen Unternehmens in der Forschungsphase angefallen sein und deshalb einem Aktivierungsverbot unterlegen haben. Beim Unternehmenserwerb (= Anschaffung) ist dieses Verbot nicht mehr relevant. Darüber hinaus kann es zu einer Neubeurteilung beim Erwerber kommen. Das Management des neuen Unternehmens kann die Wahrscheinlichkeit eines zukünftigen Nutzens neu und mutiger beurteilen. Es kann durch die Kombination mit anderen Produktionsfaktoren (Synergien) einen Nutzen erstmalig konkretisieren.
Schließlich enthält IAS 38.63 ein spezielles Aktivierungsverbot für originäre Marken, Kundenlisten und ähnliche Werte. Durch eine business combination werden sie zu derivativen Werten: das spezielle Aktivierungsverbot greift nicht mehr.
Beispiel
Die Loktor AG erwirbt die Mehrheit an der Elle GmbH. Die Elle GmbH verfügt u. a. über die weltweit bekannte Parfummarke E 611.
Aus Sicht der Elle GmbH ist die Marke originär (selbst erstellt) und wegen des dafür geltenden Bilanzierungsverbots nicht aktivierungsfähig (IAS 38.63).
Mit dem Erwerb der Mehrheit an der Elle GmbH gelten die Vermögenswerte der Elle GmbH als durch die Loktor AG erworben (Einzelerwerbsfiktion). Aus der originären Marke (einzelbilanzielle Perspektive der Elle GmbH) wird damit ein derivativer Vermögenswert (konzernbilanzielle Perspektive der Loktor AG). Die Marke ist daher im Rahmen der Erstkonsolidierung mit ihrem fair value anzusetzen.
Für den Ansatz immaterieller Vermögenswerte bei einem Unternehmenserwerb kommt es nach IAS 38.34 und IFRS 3 nur darauf an, dass sie
- auf einer vertraglichen oder rechtlichen Grundlage beruhen (sog. legal criterion) oder
- durch Verkauf, Übertragung, Lizenzierung, Verpachtung, Tausch usw. vom Unternehmen separiert werden können (sog. separability criterion).
Wahrscheinlichkeit des Nutzens und Zuverlässigkeit der Messung sind in solchen Fällen nicht mehr diskussionsfähig. Die Wahrscheinlichkeit ist lediglich als Bewertungsparameter zu berücksichtigen: je niedriger die Nutzenwahrscheinlichkeit, umso niedriger der anzusetzende fair value.
Praktisch bedeutet dies eine Aufwertung kurzfristig zu Aufwand werdender Einzelvermögenswerte zulasten des nur noch außerplanmäßig abschreibbaren goodwill. Damit entsteht in der Praxis vermehrt die Frage, welche Vorteile als aktivierbare Einzelvermögenswerte infrage kommen.