Rz. 116
Generell gelten für den Bilanzansatz im Konzernabschluss die Bilanzierungsvorschriften des Mutterunternehmens. Gem. § 300 Abs. 2 Satz 1 HGB sind die Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten sowie die Erträge und Aufwendungen der in den Konzernabschluss einzubeziehenden Unternehmen unabhängig von ihrer Berücksichtigung in den Jahresabschlüssen dieser Unternehmen vollständig in den Konzernabschluss aufzunehmen, soweit nach dem Recht des Mutterunternehmens nicht ein Bilanzierungsverbot oder -wahlrecht besteht. Somit kann die Konzernleitung im Konzernabschluss über den Ansatz von Vermögensgegenständen und Schulden losgelöst von deren Ansatz in den zugrunde liegenden Einzelabschlüssen neu entscheiden. Sie muss dabei allein die für das Mutterunternehmen geltenden Vorschriften, d. h. das HGB, beachten.
Rz. 117
Die Entscheidung in den Einzelabschlüssen ist, wie im Gesetz erwähnt, nicht maßgeblich für den Konzernabschluss. Insbesondere die gem. § 300 Abs. 2 Satz 2 HGB erlaubte Neuausübung von Ansatzwahlrechten bietet erhebliche Spielräume im Hinblick auf eine eigenständige Konzernbilanzpolitik, zumal sich die Möglichkeit der Neuausübung von Ansatzwahlrechten auch auf das Mutterunternehmen bezieht. An Ansatzwahlrechten bestehen auf der Ebene der Einzelabschlüsse nach dem HGB mit Relevanz für den Konzernabschluss:
Tab. 3: Ansatzwahlrechte auf Ebene der Einzelabschlüsse
Darüber hinaus ergaben sich aus den Übergangsvorschriften des EGHGB weitere zeitlich befristete Wahlrechte bzw. diese bleiben bestehen und können i. d. R. jederzeit aufgelöst werden. Die Werte der durch auslaufende Ansatzwahlrechte aus den §§ 249 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2, 247 Abs. 3, 250 Abs. 1 Satz 2 HGB a. F. konnten beibehalten werden oder waren erfolgsneutral auszubuchen. Inzwischen dürften nach ca. 15 Jahren allerdings nur noch in seltenen Fällen Sachverhalte vorliegen, die noch Relevanz haben.
Rz. 118
Des Weiteren ist zu beachten, dass § 300 HGB die einheitliche Ausübung von Ansatzwahlrechten nicht explizit fordert. Vielfach wird deshalb argumentiert, dass die Ausübung der Ansatzwahlrechte auch bei gleichartigen Sachverhalten nicht zwingend für alle Konzernunternehmen in gleicher Weise durchgeführt werden muss und darüber hinaus nicht dem Stetigkeitsgebot unterliegt, sodass die Entscheidung für einen wahlweisen Ansatz zu jedem Abschlussstichtag neu getroffen werden kann. Mit Bezug auf die Generalnorm kann jedoch angenommen werden, dass der im HGB verwendete Begriff Bewertungsmethoden, deren Beibehaltung gem. § 298 Abs. 1 HGB i. V. m. § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB explizit gefordert wird, als Oberbegriff aller auf den Jahresabschluss angewendeten Rechnungslegungsmethoden zu verstehen ist, was auch eine Einbeziehung der Ansatzwahlrechte bedeutet. Deshalb ist davon auszugehen, dass im Konzernabschluss die Ansatzentscheidung für gleichartige Sachverhalte einheitlich auszufallen hat und gleiche Sachverhalte im Zeitablauf gleich darzustellen sind, zumal durch das Willkürverbot eine weitere Grenze gesetzt wird.
Rz. 119
Lediglich bei handelsrechtlichen Wahlrechten, bei denen die Darstellung der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage des Konzerns nicht primäres Ziel ist, bestehen Ausnahmen. Praktische Relevanz besitzt dieser Ausnahmetatbestand seit der Streichung der Bilanzierungshilfen aus dem HGB jedoch nicht mehr, da die Darstellung der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage lediglich bei Bilanzierungshilfen nicht im primären Zielbereich lag.
Rz. 120
Die gem. § 300 Abs. 2 Satz 2 HGB erlaubte Neuausübung von Ansatzwahlrechten bot bis zur Einführung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes erhebliche Spielräume im Hinblick auf eine eigenständige Konzernbilanzpolitik. Der Wegfall des Großteils der Bilanzierungswahlrechte limitiert die bilanzpolitischen Maßnahmen jedoch erheblich. Die unabhängige Neuausübung von Ansatzwahlrechten in der Konzernbilanz bietet Konzernen, deren Tochterunternehmen in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässig sind, die Möglichkeit der Vermeidung von Konflikten, die aus der teils abweichenden Umsetzung der EU-Richtlinie 2013/34/EU resultieren können. Auch werden bilanzpolitische Ziele der Einzelabschlüsse nicht durch die Ausübung von Wahlrechten im Konzernabschluss gefährdet.