Rz. 1
Ungeachtet der wirtschaftlichen und rechtlichen Selbstständigkeit der einzelnen Konzernunternehmen wird der Konzern sowohl nach HGB als auch nach den IFRS als eine Unternehmenseinheit betrachtet (sogenannte "Einheitstheorie"), wobei die einzelnen Konzernunternehmen den Rang von unselbständigen Betriebsabteilungen bekommen. Demnach ist der Konzernabschluss quasi ein Jahresabschluss der Unternehmenseinheit Konzern, in den die Jahresabschlüsse der einzubeziehenden Tochterunternehmen durch Konsolidierung einbezogen werden. Der Konzernabschluss ist so aufzustellen, als wenn der Konzern nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich eine Einheit wäre; es gilt das Weltabschlussprinzip (s. Rz. 22).
Rz. 2
Da der Konzernabschluss ausschließlich zu Informationszwecken erstellt wird, kommt diesem für die Darstellung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens und damit für die Abschlusspolitik besondere Bedeutung zu. Zwangsläufig entfällt der potenzielle Zielkonflikt mit der Steuerminimierung (bis auf bestimmte Aspekte der Zinsschranke und der Globalen Mindestbesteuerung) und auch Ausschüttungsziele haben keine direkten Auswirkungen auf die Konzernabschlusspolitik. Da jedoch der Konzernabschluss in der Unternehmenskommunikation eine immer stärkere Rolle im Vergleich zum Jahresabschluss einnimmt und auch der Gesetzgeber inzwischen die Ergebnisverwendung des Mutterunternehmens als Pflichtbestandteil des Konzernanhangs gemacht hat, gibt es eine große indirekte Wirkung. Da vielen Adressaten der Unterschied zwischen dem Ergebnisausweis des Konzerns und des Mutterunternehmens nicht klar sein dürfte, wird in der Praxis häufig eine Angleichung der Ergebnisausweise angestrebt, was durch eine entsprechende Gestaltung der Gewinnausschüttungen der Tochterunternehmen an das Mutterunternehmen erfolgen kann.
Aufgrund der Besonderheiten des Konzernabschlusses bieten sich jedoch weitere Ansatzpunkte, da der Konzernabschluss durch die Konsolidierung von Einzelbilanzen und nicht aus einer Konzernbuchhaltung entsteht. Denkbar sind somit verschiedene Ebenen der Konzernabschlusspolitik, die in folgender Abbildung aufgezeigt werden:
Abb. 1: Elemente der Konzernabschlusspolitik
Die Abbildung zeigt, dass eine Konzernabschlusspolitik auf 4 Ebenen möglich ist. Folglich sind zu deren Konkretisierung die Ebenen Einzelabschluss, Handelsbilanz II, Konsolidierung und der Konzernabschluss selbst zu unterscheiden. Hinzu kommt noch mit steigender Bedeutung der Konzernlagebericht nach § 315 HGB mit dem integrierten Nachhaltigkeitsbericht sowie weitere ergänzende/freiwillige Berichte.
Rz. 3
Als zentrales Wahlrecht hervorzuheben ist für nichtkapitalmarktorientierte Mutterunternehmen nach § 315e Abs. 3 HGB die des Rechnungslegungssystems, da der Konzernabschluss von diesen Unternehmen nach HGB oder IFRS erstellt werden darf. Allerdings sind keine Zwischenlösungen möglich, d. h. es ist alternativ zu einem reinen HGB-Abschluss ein vollständiger IFRS-Konzernabschluss vorzulegen, bei dem zusätzlich die in § 315e Abs. 1 HGB genannten handelsrechtlichen Normen beachtet wurden. Kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen sind dagegen zur Aufstellung eines IFRS-Konzernabschlusses auf Basis der fortlaufend geänderten IFRS-Verordnung verpflichtet.
Rz. 4
Unter Konzernabschlusspolitik wird generell die bewusste, zielgerichtete und zweckorientierte Beeinflussung und Gestaltung des Konzernabschlusses im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten verstanden. Die Abschlusspolitik ist nach den IFRS qua Definition eigentlich ausgeschlossen, da mit IAS 1.15/IFRS 18.9 der True-and-Fair-View-Grundsatz, nach welchem Abschlüsse die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie die Cashflows eines Unternehmens den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend darzustellen haben, ausdrücklich als vorrangig zu erfüllende Norm verankert ist und daher etwa im Rahmenkonzept explizit im RK.2.13 f. die Neutralität gefordert wird, d. h. die im Abschluss gebotenen Informationen müssen frei von Verzerrungen sein, d. h. wertfrei und objektiv. Daher findet sich in der internationalen Forschung keine direkte Entsprechung zum Begriff Bilanzpolitik, es wird allgemein von Earnings Management gesprochen. Ein geschlossenes, auf normativen Erwägungen basierendes theoretisches Konzept, das auf einer entscheidungstheoretischen Grundlage die Ziele des Jahresabschlusses adressiert und alle Instrumente der Bilanzpolitik nach deutschem Verständnis einschließt, existiert nicht, da die internationale Rechnungslegungsforschung hauptsächlich einer empirischen Ausrichtung gehorcht. Dennoch sind auch die Aufsteller von IFRS-Abschlüssen Menschen mit eigenen Interessen, die Einschätzungsspielräume zielgerichtet ausnutzen könnten und, wie einige Bilanzskandale zeigen, auch nutzen, weshalb im Folgenden die IFRS in die Ausführungen einbezogen werden.
Rz. 5
Zu unterscheiden sind die materielle Konzernabschlusspolitik, die auf die Beeinflussung des Konzernergebnisses abzielt, und die fo...