Prof. Dr. Andreas Herlinghaus
Leitsatz
1. Ein Einheitswertbescheid kann gem. § 181 Abs. 5 AO nach Ablauf der Feststellungsfrist insoweit erlassen oder korrigiert werden, als die Festsetzungsfrist für die Grundsteuer noch nicht abgelaufen ist.
2. § 25 BewG ermöglicht nicht nur die Nachholung erstmaliger gesonderter Feststellungen mit Wirkung auf einen späteren Feststellungszeitpunkt, sondern auch die Berichtigung, Änderung und Aufhebung solcher Feststellungen.
Normenkette
§ 181 Abs. 5, § 129 AO, § 25 BewG, § 120 Abs. 3 FGO
Sachverhalt
Die Kläger erwarben jeweils einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück, der mit dem Sondereigentum an Büroräumen in dem auf dem Grundstück befindlichen, 1997 fertiggestellten Gebäude verbunden war. Das FA stellte dafür mit bestandskräftigem Einheitswertbescheid vom 23.06.1998 im Weg der Nachfeststellung zum 01.01.1998 einen Einheitswert von 40 200 DM fest und legte seiner Berechnung eine Grundstücksfläche von 2 280 qm zugrunde, obwohl auf den Miteigentumsanteil der Kläger rechnerisch nur 228 qm entfielen. Mit ebenfalls bestandskräftigem Bescheid vom gleichen Tag setzte er den Grundsteuermessbetrag auf 281,40 DM fest.
Die Kläger beantragten im Jahr 2004, den Einheitswertbescheid und den GrSt-Messbescheid wegen einer offenbaren Unrichtigkeit zu berichtigen. Das FA lehnte dies mit Blick auf den zum 01.01.1998 festgestellten Einheitswert ab, erließ jedoch auf den 01.01.2004 im Weg der fehlerbeseitigenden Fortschreibung korrigierte Bescheide.
Das FG (FG Sachsen vom 30.01.2008, 1 K 1250/05, Haufe-Index 1965874, EFG 2008, 1002) wies die dagegen gerichtete Klage ab. Sie sei bereits unzulässig, soweit die Kläger eine Korrektur des GrSt-Messbescheids begehrten, weil sich ihre Einwendungen allein gegen den Einheitswertbescheid richteten. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, weil der Einheitswertbescheid nicht mehr nach § 181 Abs. 5 S. 1 AO berichtigt werden könne. Die Frist für die Festsetzung des GrSt-Messbetrags sei bereits abgelaufen und die Vorschrift erlaube die Korrektur des Einheitswertbescheids bei noch nicht verjährter GrSt-Festsetzung nicht.
Entscheidung
Soweit sich die Kläger gegen die Vorentscheidung über den GrSt-Messbescheid wenden, verwarf der BFH die Revision mangels Begründung als unzulässig. Soweit sie sich gegen die Vorentscheidung über den Einheitswertbescheid richtet, hielt der BFH die Revision für begründet, hob Vorentscheidung, Einspruchsentscheidung und Ablehnungsbescheid auf und verpflichtete das FA zur Korrektur des Einheitswertbescheids.
Hinweis
1. Was die Frage einer "hinreichenden Revisionsbegründung" angeht, gab der Streitfall Anlass für einen kurzen Ausflug des BFH in das Prozessrecht: Nach § 120 Abs. 3 FGO muss der Revisionskläger "die Revisionsgründe angeben", was nach der Nr. 2 Buchst. a der Vorschrift die "bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt", erfordert. Die erhobene Revisionsrüge muss also eindeutig erkennen lassen, welche Norm der Revisionskläger für verletzt hält, und zwar bezogen auf alle angegriffenen Bescheide. Bereits daran fehlte es im Streitfall bzgl. des GrSt-Messbescheids, weshalb die Revision insoweit unzulässig war und sich der BFH inhaltlich nur mit dem ebenfalls angefochtenen Einheitswertbescheid befassen musste.
2. Der BFH stellt im Besprechungsurteil klar, dass der angefochtene Einheitswertbescheid – entgegen der Annahme des FG – noch berichtigt werden konnte. Dass insoweit eine offenbare Unrichtigkeit (§ 129 AO) vorlag, weil das FA versehentlich eine Grundstücksfläche von 2 280 qm anstatt 228 qm zugrunde gelegt hatte, verstand sich von selbst. Auch war eindeutig, dass im Zeitpunkt der Stellung des Berichtigungsantrags (2004) die Frist für die Korrektur der gesonderten Feststellung des Einheitswerts bereits abgelaufen war. Diese begann mit Ablauf des Kalenderjahrs, auf dessen Beginn die Nachfeststellung vorzunehmen war (1998), und endete somit nach vier Jahren (§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO) mit Ablauf des Jahrs 2002.
3. Die spannende Frage ging nun dahin, ob noch eine Änderung nach § 181 Abs. 5 S. 1 AO in Betracht kam. Danach kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nur eine Vorstufe der Steuerfestsetzung ist, d.h. nur eine dienende Funktion hat. Aus der Technik der getrennten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sollen dem Steuerpflichtigen keine Nachteile, aber auch keine Vorteile entstehen.
a) Das Verfahren zur Festsetzung der GrSt vollzieht sich in drei Stufen (vgl. bereits BFH, Urteil vom 24.07.1985, II R 227/82, Haufe-Index 60970): Auf der ersten Stufe stellt das FA im Einheitswertbescheid den Einheitswert für die wirtschaftliche Einheit des Grundbesitzes fest (§ 180 Abs. 1 Nr. 1 AO