OFD Frankfurt, Verfügung v. 21.6.2017, FG 2026 A - 004 - St 21
1. Zulässigkeit der Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts
§ 68 FGO entspricht § 365 Abs. 3 AO im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren. Die Befugnis zur Änderung des streitbefangenen Verwaltungsaktes verbleibt auch im finanzgerichtlichen Verfahren beim Finanzamt (vgl. § 132 AO). Lassen die Vorschriften über die Korrektur von Verwaltungsakten (z.B. §§ 129 bis 131, 164 Abs. 2, 165 Abs. 2, 172 bis 175 AO oder Normen der Einzelsteuergesetze, z.B. § 35b GewStG) die (teilweise) Berichtigung, Rücknahme, den Widerruf, die Änderung oder Aufhebung des rechtshängigen Verwaltungsaktes zu, kann das Finanzamt die Korrektur – zu Gunsten wie zu Ungunsten des Klägers – auch noch während des finanzgerichtlichen Verfahrens, während des Verfahrens über eine Nichtzulassungsbeschwerde oder im Revisionsverfahren vornehmen (vgl. § 129 AO: „jederzeit”, § 132 Satz 1 AO, § 68 FGO, § 123 Satz 2 FGO, § 127 FGO).
Die Änderung des streitbefangenen Verwaltungsaktes kann auch die Folge von Erkenntnissen sein, die das Finanzamt aufgrund von während des gerichtlichen Verfahrens getroffenen Maßnahmen zur Ermittlung der im maßgeblichen Besteuerungszeitraum verwirklichten Sachverhalte gewonnen hat. § 76 Abs. 4 FGO stellt unter Bezugnahme auf die §§ 88, 89 AO ausdrücklich klar, dass die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt wird. Allerdings muss verhindert werden, dass es wegen desselben Sachverhalts zu doppelgleisigen Ermittlungen durch das Finanzamt und das FG kommt. Hat das Finanzamt den streitbefangenen Verwaltungsakt in Gestalt der Einspruchsentscheidung ggf. nach Abschluss eigener Ermittlungen endgültig (nicht mehr unter Vorbehalt der Nachprüfung und auch nicht vorläufig) erlassen, besteht grundsätzlich kein Anlass zu erneuter Sachaufklärung.
Die Regelung des § 76 Abs. 4 FGO erlangt insbesondere Bedeutung,
- wenn die Besteuerungsgrundlagen für den jeweiligen Besteuerungszeitraum wegen verweigerter Mitwirkung durch den Steuerpflichtigen (z.B. wegen Nichtabgabe der Steuererklärung) gem. § 162 AO geschätzt und dem nunmehr rechtshängigen Steuerbescheid zu Grunde gelegt wurden. Nach Erhebung der Klage reicht der Kläger die Steuererklärung beim Finanzamt ein bzw. legt sie dem FG vor.
- wenn die Steuer im streitbefangenen Steuerbescheid gem. § 164 Abs. 1 AO unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wurde, weil die zu Grunde gelegten Besteuerungsgrundlagen durch eine Außenprüfung überprüft werden sollen. Die Befugnis zur Durchführung einer Außenprüfung wird durch die Rechtshängigkeit des entsprechenden Steuer- oder Feststellungsbescheides nicht berührt.
1.1 Korrektur zu Ungunsten des Stpfl.
Ergeben sich durch die Ermittlungen während des Klageverfahrens höhere Steuern, ist es dem Finanzamt verwehrt, etwa beim FG bzw. BFH eine entsprechende Änderung des rechtshängigen Verwaltungsaktes zu beantragen oder anzuregen. Das Gericht darf nämlich den angefochtenen Verwaltungsakt nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen ändern (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Das Finanzamt muss die Änderung unverzüglich selbst vornehmen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen dem Finanzamt eine Mitteilung über die Änderung von Besteuerungsgrundlagen nach Erlass eines Grundlagenbescheides zugeht, die Einfluss auf den rechtshängigen Folgebescheid hat.
1.2 Korrektur zu Gunsten des Stpfl.
Kommt das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass dem Klagebegehren teilweise oder gar in vollem Umfang zu entsprechen ist, muss es den angefochtenen Verwaltungsakt umgehend ändern (§ 132 i.V.m. § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO). Durch einen (Teil-)Abhilfebescheid können die dem Stpfl. zu erstattenden Aufwendungen für seinen Prozessbevollmächtigten verringert werden. Kann dem Kläger in diesem Zusammenhang verspätetes Vorbringen vorgeworfen werden, ist gleichzeitig mit der Übersendung einer Mehrausfertigung des Änderungsbescheides an das FG unter entsprechender Darlegung der Gründe zu beantragen, dass dem Kläger (insoweit) die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen sind (§ 137 FGO). Ggf. ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
2. Bekanntgabe des geänderten Bescheids
Ein während eines Klageverfahrens ergehender Änderungsbescheid ist i.d.R. dem Prozessbevollmächtigten bekanntzugeben (BFH-Urteil vom 5.5.1994, VI R 98/93, BStBl 1994 II S. 806; AEAO zu § 122, Nr. 1.7.2).
Dies gilt auch dann, wenn der Prozessbevollmächtigte ein anderer als der „normale steuerliche Berater” des Klägers ist (im Klageverfahren z.B. ein Rechtsanwalt, im Veranlagungsverfahren ein Steuerberater) und auch, wenn die Prozessvollmacht nur dem Gericht und nicht auch dem Finanzamt vorliegt.
3. Abschrift des geänderten Bescheids an das Gericht
Hat die Finanzbehörde den angefochtenen Bescheid nach der Klageerhebung geändert, so muss sie dem Gericht eine Abschrift des neuen Bescheids vorlegen (§ 68 Satz 3 FGO). Dies hat zeitgleich mit der Absendung des Änderungsbescheids an den Prozessbevollmächtigten mit einem form...