OFD Hannover, Verfügung v. 8.1.1997, S 0625 - 1 - StO 321/S 0625 - 1 - StH 551
Die Vorschriften über Rücknahme und Widerruf (§§ 130, 131 AO) sowie Aufhebung und Änderung (z.B. § 164 Abs. 2, § 165 Abs. 2,§§ 172 ff. AO, § 35 b GewStG) von Verwaltungsakten gelten auch während des Einspruchsverfahrens (vgl. § 132 AO). Gleiches gilt für die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten nach § 129 AO, Tipke/Kruse, AO/FGO § 132 AO Rz. 1). Das FA kann daher einen angefochtenen Verwaltungsakt auch während eines Einspruchsverfahrens nach den Korrekturvorschriften zurücknehmen, widerrufen, aufheben, ändern oder berichtigen. Liegen die Voraussetzungen vor, unter denen ein angefochtener Verwaltungsakt korrigiert werden kann, so bitte ich folgendes zu beachten:
1. Zweckmäßigkeit der Korrektur
1.1 Im allgemeinen wird eine Korrektur des angefochtenen Verwaltungsaktes, durch die dem Rechtsbehelfsantrag nicht in vollem Umfang entsprochen oder durch die die Steuer erhöht oder ein begünstigender rechtswidriger Verwaltungsakt zurückgenommen wird, in der Einspruchsentscheidung vorzunehmen sein. Bei einer Verböserung ist § 367 Abs. 2 Satz 2 AO zu beachten.
1.2 Es kann jedoch zweckmäßig sein, den Verwaltungsakt vor einer etwaigen Einspruchsentscheidung zu ändern. Dabei brauchen im Falle der Korrektur zu Ungunsten des Einspruchsführers die Voraussetzungen für eine Verböserung § 367 Abs. 2 Satz 2 AO) zwar nicht gegeben zu sein. Gleichwohl ist dem Einspruchsführer zuvor Gelegenheit zur Äußerung zu geben (vgl. AOAE zu § 367 Nr. 2).
Eine vorweggenommene Korrektur empfiehlt sich u.U. in Rechtsbehelfsfällen mit umfangreichem Streitstoff, um das Verfahren auf die streitigen Punkte, deren Klärung voraussichtlich noch geraume Zeit in Anspruch nehmen wird, zu beschränken. Sie kann ferner in Betracht kommen, wenn der Einspruch teilweise begründet, im übrigen aber auch nicht entscheidungsreif ist, und dem Einspruchsführer nicht zugemutet werden kann, auf die Erstattung der unstreitigen Beträge bis zum Erlaß der Einspruchsentscheidung zu warten. Hierfür wird häufig dann ein Bedürfnis bestehen, wenn anschließend das Einspruchsverfahren wegen der verbleibenden Streitpunkte ausgesetzt werden oder ruhen § 363 AO) soll. Schließlich kann eine Änderung des angefochtenen Bescheides angebracht sein, wenn dadurch hohe Mehrsteuern (z.B. nach dem Ergebnis einer inzwischen durchgeführten Außenprüfung oder einer Mitteilung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen) schneller festgesetzt werden können. Mehrmalige Änderungen des Bescheids, durch die dem Einspruch nicht abgeholfen wird, sind zu vermeiden.
Vom Erlaß eines Teilabhilfebescheides ist wegen der damit evtl. verbundenen verfahrensrechtlichen Unwägbarkeiten abzusehen, wenn die Möglichkeit einer Verböserung im weiteren Verfahren nicht ausgeschlossen ist oder die Einspruchsentscheidung vor Ablauf der Einspruchsfrist des Teilabhilfebescheides ergeht (s. Tz. 2.2 Abs. 4).
Ist der Einspruch von der Rechtsbehelfsstelle zu bearbeiten, so ist sie beim Erlaß des Änderungsbescheides zu beteiligen, wenn sie die Änderung nicht selbst veranlaßt.
2. Verfahren nach Korrektur des angefochtenen Verwaltungsaktes
2.1 Wird dem Einspruch durch Änderungsbescheid abgeholfen, so bedarf es keiner Einspruchsentscheidung § 367 Abs. 2 Satz 3 AO). Abhilfe liegt nur vor, wenn dem Begehren der Sache nach entsprochen wird. Dabei kommt es nur auf das zahlenmäßige Ergebnis, nicht jedoch auf die Gründe der Änderung an. Sind die Einwendungen des Einspruchsführers zwar berechtigt, wird die Steuer aber aus anderen Gründen nicht wie beantragt herabgesetzt oder sogar erhöht, dann erledigt sich der Einspruch nur, wenn der Einspruchsführer zuvor seinen Rechtsbehelfsantrag entsprechend eingeschränkt oder der beabsichtigten Änderung zugestimmt hat (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 172 AO Rz. 13 a).
Unter diesen Voraussetzungen erledigt sich ein Einspruch, der sich gegen einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheid richtet, durch einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid auch dann, wenn dieser erneut unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erteilt wird, es sei denn, daß der Einspruchsführer mit dem Einspruch zugleich ausdrücklich die Aufhebung des Vorbehalts begehrt hat.
2.2 Wird der angefochtene Verwaltungsakt geändert oder ersetzt, wird der neue Verwaltungsakt automatisch Gegenstand des Einspruchsverfahrens § 365 Abs. 3 Satz 1 AO). Dies gilt entsprechend, wenn ein Verwaltungsakt wegen einer offenbaren Unrichtigkeit gemäß § 129 AO berichtigt wird oder wenn ein Verwaltungsakt an die Stelle des angefochtenen – z.B. wegen eines Bekanntgabemangels – unwirksamen Verwaltungsaktes tritt § 365 Abs. 3 Satz 2 AO). Der neue Verwaltungsakt muß aber innerhalb der Festsetzungsfrist wirksam geworden sein ( BFH-Urteil vom 16.5.1990, X R 147/87, BStBl 1990 II S. 942)
Zur Vermeidung unnötiger Einsprüche ist der geänderte Bescheid mit dem programmierten Erläuterungstext 707 zu versehen:
„Dieser Bescheid tritt an die Stelle des angefochtenen Bescheides vom...