Leitsatz
Aufwendungen für ein sich unmittelbar an die Schulausbildung anschließendes Erststudium sind nicht als vorweggenommene Werbungskosten abziehbar und unterliegen insoweit dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 5 EStG.
Sachverhalt
Die Klägerin schloss im Jahr 2004 mit dem Abitur ihre Schulausbildung ab. Die Aufwendungen für ein sich daran anschließendes Erststudium machte sie als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend. Das Finanzamt versagte den Werbungskostenabzug und lehnte die Anträge auf gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags für die Jahre 2004 und 2005 ab. Die dagegen eingelegten Einsprüche wies das Finanzamt als unbegründet zurück. Im Klageverfahren trägt die Klägerin vor, sie werde direkt im Anschluss an das Studium der Medizin als angestellte Ärztin ihre Tätigkeit aufnehmen und Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit erzielen. Die Tatsache, dass durch § 12 Nr. 5 EStG dem Erststudium der Werbungskostenabzug versagt werde, sei eindeutig ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip. Die Berufsausbildung sei die unabdingbare und wesentliche Grundlage für die Einkunftserzielung und habe mit privater Lebensführung nichts zu tun.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG sind die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für ihr Erststudium nicht als vorweggenommene Werbungskosten abziehbar und unterliegen insoweit dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 5 EStG. Diese Vorschrift bestimmt in typisierender Weise, dass Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium - von dem im Halbsatz 2 genannten Fällen (Ausbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses) abgesehen - noch nicht mit einer konkreten beruflichen Tätigkeit und hieraus fließenden Einnahmen in Zusammenhang stehen. Die Vorschrift des § 12 Nr. 5 EStG verstößt nach Ansicht des FG auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Artikels 3 Abs. 1 GG, weil der Gesetzgeber befugt ist, das objektive Nettoprinzip bei Vorliegen wichtiger Gründe zu durchbrechen. Er darf sich auch generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelung bedienen. Nach Maßgabe dieser Grundsätze stellt die in § 12 Nr. 5 EStG angelegte Unterscheidung zwischen Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung und das Erststudium einerseits und sonstigen Fortbildungskosten andererseits eine verfassungsrechtliche zulässige Typisierung dar.
Hinweis
1. Die von dem FG zugelassene Revision wurde eingelegt und hat beim BFH das Az. VI R 7/10. Es handelt sich um das erste, für alle Studenten wichtige Verfahren in dieser Sache beim BFH. Dieser muss nämlich nun die Frage klären, ob die ab 1.1.2004 geltende gesetzliche Regelung des § 12 Nr. 5 EStG, wonach die Kosten eines Erststudiums im Anschluss an das Abitur nur noch begrenzt bis 4.000 EUR jährlich als Sonderausgaben abzugsfähig sind, verfassungsgemäß ist.
2. Je nach Sachverhalt ergeben sich folgende Möglichkeiten um von einer positiven Entscheidung des BFH zu profitieren:
Alle Studenten, die zur Zeit noch studieren und die ihr Studium direkt nach dem Abitur begonnen haben, sollten Nachweise über die Höhe der Studienkosten aus Gründen der Beweisvorsorge aufbewahren. Wenn in der Zeit des Studiums keine steuerpflichtigen Einkünfte erzielt werden, kann zunächst die Entscheidung des BFH abgewartet werden. Im Fall einer positiven Entscheidung des BFH kann nämlich innerhalb der Festsetzungsfrist von 4 Jahren (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO) ein Antrag auf Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags gestellt werden. In Fällen, in denen bisher keine Steuererklärung abgegeben wurde, verlängert sich diese Frist um 3 auf 7 Jahre, da die Festsetzungsfrist dann erst mit einer 3-jährigen Anlaufhemmung (§ 170 Abs. 2 AO) beginnt.
Beispiel 1
Ein Student hat im Jahr 2008 direkt im Anschluss an das Abitur mit seinem Studium begonnen und wird voraussichtlich bis zum Jahr 2012 studieren. Da er bisher keine steuerpflichtigen Einkünfte erzielte, hat er auch keine Steuererklärungen abgegeben. Die jährlichen Kosten (Studiengebühren, Fahrtkosten, Fachliteratur, Exkursionen und ggf. Kosten für ein Auslandssemester) betragen voraussichtlich jährlich ca. 3.000 EUR. Sollte der BFH in o.a. Verfahren positiv entscheiden, kann nachträglich die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs beantragt, und so die gesamten Studienkosten von ca. 15.000 EUR als Verlust in das Jahr der ersten Berufstätigkeit vorgetragen werden. Dies würde dann zu einer beträchtlichen Steuererstattung führen. Der Antrag für das Jahr 2008 muss spätestens bis zum 31.12.2015 gestellt werden.
Wurde das Erststudium im Anschluss an das Abitur schon erfolgreich abgeschlossen und für die Jahre des Studiums wegen fehlender Einkünfte bisher keine Steuererklärung abgegeben, können innerhalb der 7-jährigen Festsetzungsfrist nachträglich noch Anträge auf Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags gestellt werden. Da der Bescheid über den festgestellten verbleibenden Verlustvortrag ein Grundlagenbescheid ist, kann der Steuerbescheid für ...