Leitsatz
1. Von einer unmittelbaren Auftragserteilung durch die Insolvenzmasse ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der Insolvenzverwalter in die Beauftragung eines Kassenprüfers eingebunden ist, indem er dem Gläubigerausschuss den Prüfer vorschlägt und dem Prüfer den Beschluss des Gläubigerausschusses über dessen Beauftragung übermittelt.
2. Wird ein sachverständiger Dritter durch den Insolvenzverwalter mit der Prüfung beauftragt, sind die Kosten der Prüfung Masseverbindlichkeiten, da sie i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch die Verwaltung der Masse verursacht werden.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 und 2 UStG, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 69 Satz 2, § 67 Abs. 2 InsO
Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der B-AG in Liquidation. Es wurde ein Gläubigerausschuss nach § 67 InsO eingerichtet. Auf seiner ersten konstituierenden Sitzung beschloss der Gläubigerausschuss auf Vorschlag des Klägers, die Rechnungsprüfung an den Diplom-Finanzwirt X zu delegieren. Mit Schreiben vom xx.xx.2002 bestätigte der Kläger dem X, dass der Gläubigerausschuss X zum (externen) Kassen- bzw. Rechnungsprüfer ernannt habe. X stellte "seine Tätigkeiten im Rahmen der vom Gläubigerausschuss in Auftrag gegebenen Kassenprüfungen" dem Kläger als Insolvenzverwalter in Rechnung.
Streitig ist, ob der Kläger aus diesen Rechnungen den Vorsteuerabzug geltend machen kann. Das FA erkannte die Beträge nicht als Vorsteuer an und setzte dementsprechend die USt gegen den Kläger mit Bescheiden vom 21.5.2015 für 2010 und 2012, mit Bescheid vom 21.5.2013 für 2011 und mit Bescheid vom 22.10.2014 für 2013 fest. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat das FG der Klage stattgegeben.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.
Hinweis
1. Die Person des Leistenden und die des Leistungsempfängers bestimmen sich nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis.
2. Problematisch ist die Bestimmung des Leistungsempfängers z.B. dann, wenn auf der Empfängerseite Sondergremien tätig sind, bei denen unklar ist, für wen sie tätig sind.
3. Dies trifft z.B. im Insolvenzfall auf den Gläubigerausschuss zu, der die Beauftragung eines externen Kassenprüfers für erforderlich hält. Fraglich ist dann, ob der Kassenprüfer seine Leistung an die zum Vorsteuerabzug berechtigte Insolvenzmasse oder an den Gläubigerausschuss ohne Recht auf Vorsteuerabzug erbringt.
4. Der BFH bejaht einen Leistungsbezug durch die Insolvenzmasse zumindest für den Fall, dass diese bei der Beauftragung durch den Insolvenzverwalter vertreten wird.
a) Im Streitfall hatten die Mitglieder des Gläubigerausschusses bei der Beauftragung des Kassenprüfers unter Einschaltung des Insolvenzverwalters durch ihre Beschlussfassung lediglich mitgewirkt, ohne dass hierdurch der Gläubigerausschuss oder seine Mitglieder als Leistungsempfänger zivilrechtlich verpflichtet werden sollten. Leistungsempfänger war nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien die Masse.
b) Der BFH begründet dies insbesondere damit, dass es nicht zu den Aufgaben eines Gläubigerausschusses oder dessen Mitglieder gehört, nach außen hin aufzutreten und Masseverbindlichkeiten durch Abschluss von Verträgen im Namen des insolventen Unternehmens zu begründen. Dies obliegt dem Insolvenzverwalter.
c) Ob sich aus § 69 Satz 2 InsO etwas anderes ergibt, hatte der BFH nicht zu entscheiden. Zwar weist diese Vorschrift den Mitgliedern des Gläubigerausschusses die Vergabe der Kassenprüfung als Aufgabe zu. Diese Pflicht trifft die einzelnen Mitglieder des Gläubigerausschusses höchstpersönlich. Gleichwohl ist von einer unmittelbar die Insolvenzmasse treffenden Auftragserteilung jedenfalls dann auszugehen, wenn der Insolvenzverwalter in die Beauftragung des Kassenprüfers eingebunden ist, indem er dem Gläubigerausschuss den Prüfer vorschlägt und dem Prüfer den Beschluss des Gläubigerausschusses über dessen Beauftragung übermittelt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.4.2022 – V R 18/19