Leitsatz
Wird der durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners unterbrochene Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids vom Insolvenzverwalter aufgenommen, so bestimmt sich der Wert des Streitgegenstands für das weitere Verfahren ab Aufnahme des Rechtsstreits nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die noch unerfüllte Steuerforderung zu erwarten ist.
Normenkette
§ 180 Abs. 2, § 182, § 185 InsO, § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1, § 15 GKG a.F., § 240 ZPO, § 155 FGO
Sachverhalt
Während des Revisionsverfahrens wurde über das Vermögen des früheren Klägers (K) das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter (I) nahm den anhängigen Rechtsstreit wegen der ESt 1990 und 1991 auf. Anschließend wies der BFH die Revision des I als unbegründet zurück. Der Kostenbeamte des BFH legte der Kostenfestsetzung gegenüber I einen Streitwert von 7.516.503 € zugrunde. I machte dagegen geltend, im Verhältnis zu ihm bestimme sich der Streitwert lediglich nach dem Betrag, der bei Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderungen zur Verfügung stehe. Deshalb könne er nur mit 1.000 € angesetzt werden, weil aus derzeitiger Sicht eine Insolvenzmasse zur Verteilung an die Insolvenzgläubiger nicht zur Verfügung stehe.
Entscheidung
Für die ursprünglich – vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens – vom früheren Kläger eingelegte Revision sei von einem Streitwert von 7.516.503 € auszugehen. Für die Zeit danach könne der Streitwert gegenüber dem Insolvenzverwalter hingegen lediglich auf der Grundlage der vom FA zu erwartenden Dividende von 1.000 € festgesetzt werden. Nach § 182 InsO bestimme sich der Wert einer Klage auf Feststellung einer Forderung, deren Bestand vom Insolvenzverwalter oder einem Insolvenzgläubiger bestritten worden sei, nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten sei. Diese Vorschrift gelte gem. § 185 Satz 3 InsO für die bei den Finanzgerichten zu betreibende Feststellung von Steuerforderungen zur Insolvenztabelle entsprechend. Die Verweisung betreffe – als speziellere Regelung zu §§ 13 und 14 GKG a.F. – nicht nur den Streitwert in solchen Klageverfahren, die zum Rechtsschutz gegen Feststellungsbescheide des FA nach § 251 Abs. 3 AO i.V.m. § 185 Satz 1 Alt. 2 InsO erhoben würden. Entgegen der bislang überwiegenden Auffassung finde die Regelung überdies auch Anwendung auf die Ermittlung des Streitwerts infolge Aufnahme bereits anhängiger FG-Verfahren des Gemeinschuldners nach § 180 Abs. 2 i.V.m. § 185 Satz 2 InsO.
Hinweis
Nach § 155 FGO i.V.m. § 240 Satz 1 ZPO wird das finanzgerichtliche Verfahren durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gemeinschuldners unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Diese Regelung wird ergänzt durch § 180 Abs. 2 InsO, der über § 185 Satz 2 InsO für die Feststellung einer Steuerforderung zur Insolvenztabelle durch die Finanzgerichte entsprechend gilt. Danach ist die Feststellung durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben, wenn zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Steuerforderung anhängig war.
Die Aufnahme des Verfahrens obliegt in entsprechender Anwendung des § 179 Abs. 2 InsO demjenigen, der das Bestehen der Steuerforderung bestreitet (vgl. z.B. BMF, Schreiben vom 17.12.1998, IV A 4 -S 0550- 28/98, BStBl I 1998, 1500, Tz. 6.2). Neue Kläger infolge Parteiwechsels können daher neben dem Insolvenzverwalter (so wie hier) auch andere Insolvenzgläubiger werden (§ 178 Abs. 1 Satz 1 InsO). Der Sache nach ist der eigentliche Gegenstand des durch den Insolvenzverwalter oder Insolvenzgläubiger aufgenommenen Rechtsstreits nicht mehr die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids, sondern die rechtmäßige Beanspruchung der Steuerforderung als Insolvenzforderung und damit das Haftungsrecht des FA an der Insolvenzmasse (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 23.2.2005, VII R 63/03, BStBl II 2005, 591, BFH-PR 2005, 382).
Im bislang weit überwiegenden Schrifttum zur FGO wird die Ansicht vertreten, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe auf die Höhe des Streitwerts bei Aufnahme eines anhängigen Rechtsstreits keinen Einfluss (vgl. z.B. Brandis in Tipke/Kruse, Vor § 135 FGO Tz. 214; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 139 FGO Rz. 300; Brandt in Beermann/Gosch, AO-FGO, § 139 FGO Rz. 80; vgl. auch FG Hamburg, Beschluss vom 28.10.1974, IVa 330/66 H [IV], EFG 1975, 125). Dem folgt der Besprechungsbeschluss – m.E. zutreffend – nicht. Denn das eigentliche Interesse des Insolvenzverwalters oder Insolvenzgläubigers, welcher den durch den Gemeinschuldner in Gang gesetzten und durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Prozess wieder aufnimmt, bestimmt sich nach dem Betrag, den das FA bei seinem Obsiegen aus der Insolvenzmasse voraussichtlich erhalten wird (Insolvenzquote). Etwas anderes gilt m.E. nur in dem Fall, in welchem – anders als hier – das FA den St...