Leitsatz
1. Die Krankenbeförderung i.S. des § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG setzt voraus, dass kranke Menschen befördert werden. Steuerbefreit sind nur Fahrzeuge, die ausschließlich für Fahrten im Zusammenhang mit der Behandlung kranker Menschen verwendet werden (Anschluss an BFH-Urteil vom 13.09.2018 – III R 10/18, BFHE 262, 532).
2. Nach der Abmeldung eines Kraftfahrzeugs wird der während eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergangene Endbescheid (§ 12 Abs. 2 Nr. 3 KraftStG) gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens.
Normenkette
§ 3 Nr. 5, § 12 Abs. 2 Nr. 3 KraftStG, § 68 FGO
Sachverhalt
Die Klägerin, ein Personenbeförderungsunternehmen, ist Halterin mehrerer Fahrzeuge, die als Mehrzweckfahrzeuge, Sonderfahrzeuge und Pkw zugelassen sind, über drei bis neun mögliche Sitzplätze einschließlich Fahrersitz verfügen und technisch so ausgerüstet sind, dass mindestens eine Person im Rollstuhl oder liegend transportiert werden kann. Die Klägerin verwendete die Fahrzeuge ausschließlich zur Beförderung von gehbehinderten Personen in einer Trage, einem Rollstuhl oder einem Tragestuhl. Die beförderten Personen waren nicht in der Lage, selbstständig oder mit einfacher Unterstützung ihre Wohnung zu verlassen, benötigten während der Beförderungen aber keine intensivmedizinische Betreuung. Auf den in weiß gehaltenen Fahrzeugen stand in großen Buchstaben "Krankenfahrdienst ...".
Das HZA hob die ursprünglich bestehenden Steuerbefreiungen auf und setzte Kraftfahrzeugsteuer fest. Die Einsprüche blieben erfolglos. Das HZA war der Meinung, eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 KraftStG setze voraus, dass das Fahrzeug ausschließlich zu dringenden Soforteinsätzen verwendet werde.
Das FG gab der Klage statt. Es sah die Voraussetzung "ausschließliche Verwendung zur Krankenbeförderung" gemäß § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG als erfüllt an, da eine Verwendung ausschließlich zu dringenden Soforteinsätzen nicht erforderlich sei (FG Münster, Urteil vom 12.7.2018, 6 K 3668/16 Kfz, Haufe-Index 12098745).
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies zurück, weil das FG die erforderlichen Feststellungen zur Krankheit der beförderten Personen und zum Zweck der Fahrten nicht getroffen hat.
Hinweis
1. Von der Kfz-Steuer ist nach § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG das Halten von Fahrzeugen befreit, solange sie ausschließlich zur Krankenbeförderung verwendet werden. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist nach § 3 Nr. 5 Satz 2 KraftStG, dass die Fahrzeuge äußerlich als für diese Zwecke bestimmt erkennbar sind und dass sie, sofern sie nicht für eine der in § 3 Nr. 5 Satz 3 KraftStG aufgeführten Körperschaften zugelassen sind, nach ihrer Bauart und Einrichtung dem Verwendungszweck angepasst sind.
2. Die Krankenbeförderung setzt begrifflich voraus, dass kranke Menschen befördert werden. Zum gesetzlich nicht definierten Krankheitsbegriff verweist der BFH auch für Zwecke der Kraftfahrzeugsteuer auf die Rechtsprechung zu § 33 EStG. Krankheit ist danach ein anomaler körperlicher, geistiger oder seelischer Zustand, der nach herrschender Auffassung einer medizinischen Behandlung bedarf. Der Begriff der Behinderung (§ 2 Abs. 1 SGB IX) ist nicht deckungsgleich mit dem Begriff der Krankheit.
3. Die Behandlungsbedürftigkeit impliziert zwar eine gewisse Dringlichkeit der Beförderung, wie sie den übrigen Merkmalen des § 3 Nr. 5 Satz 1 KraftStG (Feuerwehrdienst, Katastrophenschutz, ziviler Luftschutz, Unglücksfälle, Rettungsdienst) immanent ist. Das Gesetz verlangt aber keinen dringenden Soforteinsatz. Vielmehr müssen die beförderten Personen behandlungsbedürftig sein und die Beförderung muss mit der Behandlung im Zusammenhang stehen. Die Beförderung gehbehinderter Personen, die nicht krank sind, oder kranker Personen zu anderen Zwecken als ihrer Behandlung rechtfertigt daher die Steuerbefreiung nicht.
4. Nach der Abmeldung von Fahrzeugen werden die Endbescheide nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 KraftStG gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO Verfahrensgegenstand, obwohl ein solcher Endbescheid die bisherige Steuerfestsetzung nicht in vollem Umfang ersetzt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.6.2019 – III R 47/18