Dr. Matthias Michael Nelde, Prof. Dr. Reinhold Hölscher
4.1 Wesen der Garantie
Bei der Garantie handelt es sich – ebenso wie bei der Bürgschaft – um einen einseitig verpflichtenden Vertrag. Der Garant verpflichtet sich gegenüber dem Garantienehmer, für ein Risiko, einen erwarteten wirtschaftlichen Erfolg oder einen Schaden, der in der Zukunft eintreten könnte, zu haften. Die Garantie ist im Gegensatz zur Bürgschaft gesetzlich nicht besonders geregelt, es gelten folglich die allgemeinen Grundsätze des Schuldrechts. Sie kann prinzipiell auch mündlich vereinbart werden. In der Praxis wird sie aus Beweisgründen immer durch einen schriftlichen Vertrag fixiert.
Im Gegensatz zur Bürgschaft hat die Garantie einen fiduziarischen Charakter. Durch eine Garantie geht der Garant eine neue, selbständige Verpflichtung gegenüber dem Begünstigten ein, die nicht vom Bestehen oder vom Umfang einer anderen Verbindlichkeit abhängig ist. Somit stellt die Garantie für den Kreditgeber eine wertvollere Sicherheit als eine Bürgschaft dar. Im Außenhandel, bei öffentlichen Ausschreibungen, bei internationalen Anleiheemissionen und im Zusammenhang mit Gewährleistungen hat die Garantie deshalb weite Verbreitung gefunden.
4.2 Die 3 Garantiebeteiligten
An der Garantie sind 3 Personen beteiligt: Der Garantieauftraggeber, der Garantienehmer und der Garant. Der Garantieauftraggeber beauftragt den Garanten, eine Garantie zugunsten des Garantienehmers zu übernehmen. Dieser Garantie liegt ein Kaufvertrag zwischen dem Garantieauftraggeber (= Verkäufer) und dem Garantienehmer (= Käufer) zugrunde. Durch die Garantie haftet der Garant dem Garantienehmer für den wirtschaftlichen Schaden, den dieser durch das Ausbleiben eines erwarteten Erfolges bzw. das Eintreten eines bestimmten Risikos im Rahmen des Kaufes erlitten hat (vgl. Abb. 9).
Abb. 9: Garantiebeteiligte
4.3 Formen von Garantien
Es haben sich die folgenden Formen von Garantien herausgebildet:
Bietungsgarantie
Bei der Bietungsgarantie haftet der Garant dafür, dass der Auftraggeber seinen Verpflichtungen, die er im Rahmen einer Angebotsabgabe eingegangen ist, erfüllen kann. Bei Nichterfüllung muss der Garant für die Entschädigung des Garantienehmers aufkommen. Diese so genannte Konventionalstrafe beträgt in der Regel zwischen 1 und 5 % des Auftragswertes.
Lieferungsgarantie
Im Rahmen der Lieferungsgarantie ist der Garant verpflichtet, einen im Garantievertrag festgelegten Betrag an den Garantienehmer (Käufer) zu zahlen, falls der Garantieauftraggeber (Lieferant) seinen Lieferpflichten nicht bzw. nicht rechtzeitig nachkommt. Der vereinbarte Betrag soll die Kosten des Garantienehmers, die ihm durch eine erneute Ausschreibung oder durch den Warenbezug von einem anderen Lieferanten entstehen, abdecken.
Vertragserfüllungsgarantie
Im Unterschied zur Lieferungsgarantie garantiert der Garant bei der Vertragserfüllungsgarantie für die Erbringung von Dienstleistungen durch den Garantieauftraggeber. Kommt der Auftraggeber seinen Verpflichtungen nicht nach, haftet der Garant dem Garantienehmer. Bei Verknüpfung von Vertragserfüllungs- und Lieferungsgarantie entstehen so genannte Lieferungs- und Leistungsgarantien.
Gewährleistungsgarantie
Der Garant haftet bei der Gewährleistungsgarantie dafür, dass die im Kaufvertrag vereinbarten quantitativen und qualitativen Eigenschaften der Ware vorhanden sind.
Anzahlungsgarantie
Wurde zwischen Garantieauftraggeber (Verkäufer) und Garantienehmer (Käufer) eine Anzahlung der Ware vereinbart, haftet der Garant im Rahmen der Anzahlungsgarantie für diesen Betrag, falls der Verkäufer die Ware nicht liefern kann. Durch eine Anzahlungsgarantie ist demnach der Käufer für den Fall der Nichterfüllung des Kaufvertrages abgesichert.
Zahlungsgarantie
Bei der Zahlungsgarantie haftet der Garant für die vertraglich zugesicherten Zahlungen des Garantieauftraggebers (Käufer). Er sichert also dem Garantienehmer (Verkäufer) eventuelle Ausfälle ab, die ihm aus der Nichtzahlung des Garantieauftraggebers entstehen könnten.
Zollgarantie
Die Zollgarantie bewirkt, dass sich durch Vorlage einer Garantieerklärung eines Kreditinstitutes (Garant) die nationalen Zollstellen (Garantienehmer) der einzelnen Länder dazu bereit erklären, den zu zahlenden Zoll (den der Garantieauftraggeber zu zahlen hätte) zu stunden.
Einsatz finden Garantien häufig im Rahmen von internationalen Geschäften, da in ausländischen Rechtssystemen nur selten Bürgschaften bekannt sind. Vor allem ausländische Banken übernehmen Garantien für ihre inländischen Kunden, um die Kreditrückführung zu sichern. Welchen wirtschaftlichen Wert eine Garantie besitzt, hängt von der Kreditwürdigkeit des Garanten ab. Bei ausländischen Garanten spielen insbesondere die typischen Risiken einer ausländischen Sicherheit eine Rolle. Dies können allgemeine, devisenrechtliche oder auch politische Risiken sein.