Leitsatz
1. Die Abgabe von Zytostatika durch die Krankenhausapotheke an ambulant behandelte Patienten des Krankenhauses zur unmittelbaren Verabreichung im Krankenhaus ist dem Zweckbetrieb Krankenhaus zuzurechnen. Dies gilt auch dann, wenn die Ermächtigung zur Durchführung ambulanter Behandlungen nicht dem Krankenhaus im Wege einer sog. Institutsermächtigung, sondern dem Chefarzt des Krankenhauses erteilt wird, der die Behandlungen als Dienstaufgabe durchführt.
2. Die KSt-Befreiung für Krankenhäuser ist eine bestehende Beihilfe ("Alt-Beihilfe"), für die das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV nicht gilt.
Normenkette
§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG; § 52, § 67 AO; Art. 87 Abs. 1 EG, Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine katholische rechtsfähige Stiftung des privaten Rechts. Nach ihrer Satzung und tatsächlichen Geschäftsführung dient sie der Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege und ist nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der KSt befreit. Zur Verwirklichung ihres Zwecks unterhält sie ein Hospital, das innerhalb der Vorgaben des § 67 AO a.F. betrieben und durch seine Krankenhausapotheke mit Arzneimitteln versorgt wird. Daneben liefert die Krankenhausapotheke Medikamente an Dritte, das Personal des Hospitals sowie andere Kliniken und Apotheken.
Das Hospital verfügt über eine onkologische Ambulanz. Gem. § 116 SGB V 1992 ist der im Hospital der Klägerin angestellte Chefarzt zur vertragsärztlichen Versorgung einschließlich der Chemotherapie befugt und führt diese Leistungen privat- und vertragsärztlich als Dienstaufgabe für das Hospital durch.
Den Krebspatienten werden – in einem erheblichen Teil der Fälle nach vorheriger stationärer Behandlung – unter ärztlicher Überwachung nach ihrem jeweiligen Krankheitsbild ambulant Zytostatika im Hospital verabreicht, die individuell auf sie abgestimmt werden. Die zur Durchführung der ambulanten Chemotherapie erforderlichen Zytostatika holen die Patienten zwecks unmittelbarer Verabreichung in der ambulanten Onkologie aus der Krankenhausapotheke ab.
Die Klägerin behandelte die Abgabe der Medikamente zur Versorgung von stationär untergebrachten Patienten und zur ambulanten Chemotherapie in den Streitjahren 2003 bis 2006 als dem Zweckbetrieb Krankenhaus zugehörig.
Das FA vertrat demgegenüber die Auffassung, die Erträge aus der Abgabe der Zytostatika an ambulant behandelte Patienten seien nicht dem Zweckbetrieb Krankenhaus, sondern dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Krankenhausapotheke zuzurechnen.
Die dagegen erhobene Klage war erfolgreich (FG Münster, Urteil vom 24.10.2012, 10 K 630/11 K, Haufe-Index 3528213, EFG 2013, 159, KHE 2012, 141).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG. Bemerkenswert sind vor allem seine Ausführungen zur sog. Alt-Beihilfe, die unter 3. der Praxis-Hinweise näher dargestellt sind.
Hinweis
1.Bei einem gemeinnützigen Krankenhaus ist die Steuerbefreiung (z.B. für die KSt nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG) nicht auf die unmittelbare ärztliche und pflegerische Betätigung begrenzt. Sie erstreckt sich vielmehr auf sämtliche typischerweise von einem Krankenhaus gegenüber seinen Patienten erbrachten Leistungen. Steuerfrei sind hiernach jedenfalls alle Einkünfte aus Tätigkeiten, die den Krankenhäusern gesetzlich zur Sicherstellung ihres Versorgungsauftrags übertragen sind und für die der Sozialversicherungsträger als Kostenträger für seine Versicherten deshalb grundsätzlich eintreten muss. Das kann auch die ambulante Versorgung von Patienten betreffen und auch das Unterhalten einer krankenhauseigenen Apotheke.
Aufgrund der spezifischen Sozialgesetze wird eine solche Apotheke vom Charakter des Krankenhauses als Zweckbetrieb (i.S.v. § 67 AO) umfasst, und zwar selbst dann, wenn ein "Chefarzt" dazwischengeschaltet ist, solange dieser für das Krankenhaus tätig wird und nicht nur "für sich" agiert. Das alles betraf im Urteilsfall die Abgabe von Zytostatika an Krebspatienten. Und das betrifft natürlich auch andere Krankenhausbereiche. Das FA hatte lediglich den Apothekenbetrieb aufgegriffen. Was aber letztlich "willkürlich" ist. Nimmt man Steuerpflicht an, müsste das konsequenterweise viele Bereiche des Krankenhauses als wirtschaftliche Geschäftsbetriebe umgreifen, streng genommen sogar das Krankenhaus als solches.
2. Letzteres liefert zugleich die "Vorlage" für das strukturell schwierige Verhältnis des Gemeinnützigkeitsrechts zur "freien Marktwirtschaft" und damit zum Wettbewerbsgedanken. Diesen Aspekt gilt es stets zu beachten, er erweist sich für den Zweckbetrieb des Krankenhauses aber als schwach, weil der Gesetzgeber Krankenhäuser auch insoweit vorbehaltlos privilegiert hat.
Das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses ist zwar gem. § 65 Nr. 3 AO für allgemeine Zweckbetriebe relevant (dazu BFH, Urteil vom 13.6.2012, I R 71/11, BFH/NV 2013, 89), ggf. – aber viel kritisiert und angesichts des Regelungstextes wohl auch tatsächlich eher zweifelhaft – auch für gleichfalls privilegierte Wohlfahrtsbetriebe gem. § 66 AO (BFH, Beschluss vom 18.9.2007, I R 3...