Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt (§ 9 Nr. 3 GewStG), ist auch dann vorzunehmen, wenn Deutschland nach dem einschlägigen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht gehindert wäre, den gesamten Gewerbeertrag zu besteuern, und wenn sich im Rahmen einer koordinierten steuerlichen Außenprüfung (Joint Audit) die deutschen und die ausländischen Finanzbehörden auf eine vollständige Besteuerung durch Deutschland verständigt haben.
Hintergrund: Gesetzliche Vorgaben
- Der Gewerbesteuer unterliegt gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Im Inland betrieben wird ein Gewerbebetrieb, soweit für ihn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG).
- Gewerbeertrag ist gem. § 7 Satz 1 GewStG der nach den Vorschriften des EStG oder KStG zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge.
Sachverhalt
Klägerin betrieb im Inland Wohnungsbau
Die zum niederländischen X Konzern gehörende Klägerin ist eine GmbH & Co. KG mit statutarischem Sitz im Inland, die in den Jahren 2013 und 2014 (Streitjahre) als Generalunternehmerin im Wohnungsbau tätig war. Komplementärin ist die V GmbH, Kommanditistin die B GmbH; beide Gesellschafterinnen haben ihre statutarischen Sitze ebenfalls im Inland.
Die Klägerin betrieb im Inland Wohnungsbau, dabei ganz überwiegend auf eigenen Grundstücken, die sie nach der Bebauung jeweils wieder veräußerte, zu einem geringen Teil aber auch auf fremden Grundstücken. Sie unterhielt neben den Baustellen lediglich eine Korrespondenzadresse (Briefkasten) im Inland. Die Geschäftsleitung der Klägerin sowie die Projektierung mit dem dafür benötigten Personal befanden sich in den Niederlanden. Auf den Baustellen war die Klägerin jeweils durch einen Polier und einen Bauleiter zur Leitung und Überwachung der Bauausführungen vertreten. Ausgeführt wurden die Bauarbeiten durch über die Konzernzentrale in den Niederlanden verpflichtete Subunternehmer.
Im Rahmen einer gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung (sog. Joint Audit) einigten sich die deutschen und niederländischen Prüfer auf eine Aufteilung der Besteuerungsrechte dergestalt, dass die Veräußerungsgewinne der Klägerin aus den Bauprojekten auf eigenen Grundstücken in vollem Umfang der Besteuerung durch Deutschland unterliegen sollten. Bei den Bauprojekten auf fremden Grundstücken wurde nach der Länge der Bauzeiten differenziert: Gewinne aus Bauprojekten von weniger als 12 Monaten sollten ausschließlich der niederländischen Besteuerung unterliegen, während die Gewinne aus Bauprojekten von mehr als 12 Monaten zu 80 % von den Niederlanden und zu 20 % von Deutschland besteuert werden sollten. Das Finanzamt (FA) setzte dieses Prüfungsergebnis auch im Hinblick auf die Gewerbesteuer um.
Die Klägerin hielt den Aufteilungsmaßstab hinsichtlich der Bauten auf den eigenen Grundstücken mit Blick auf den in § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 9 Nr. 3 GewStG zum Ausdruck kommenden Inlandsbezug der Gewerbesteuer für unzutreffend und beantragte mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage eine Herabsetzung der Gewerbesteuermessbeträge.
Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG hat die angefochtenen Bescheide dahin geändert, dass "im Rahmen der Kürzungen zusätzlich eine Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG um ein Drittel des Gewinnes aus Gewerbebetrieb vorgenommen wird"; im Übrigen hat es die Klage als unbegründet abgewiesen.
Entscheidung
BFH hebt Urteil des FG auf und verweist die Sache zurück
Der BFH entscheidet, dass die Revision des FA und die Anschlussrevision der Klägerin begründet sind. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FG hat zwar zutreffend angenommen, dass die von der Klägerin in den Streitjahren in Zusammenhang mit den Bauausführungen und den Grundstücksveräußerungen erzielten Einkünfte nur zu einem Teil der Gewerbesteuer unterliegen. Jedoch genügt die vom FG im Wege der Schätzung vorgenommene Gewinnabgrenzung zwischen den inländischen Betriebsstätten und der niederländischen Betriebsstätte nicht den Anforderungen des § 162 AO.
Klägerin unterhielt mehrere Betriebsstätten
Die Klägerin hat mehrere inländische Betriebsstätten unterhalten. Soweit die Klägerin inländische Grundstücke zu Eigentum erworben, bebaut und weiterveräußert hat, hat es sich bei den Grundstücken jeweils um "feste" Geschäftseinrichtungen oder Anlagen i.S.v. § 12 Satz 1 AO gehandelt, die der Tätigkeit der Klägerin gedient haben. Da die Bauarbeiten jeweils mehr als 6 Monate angedauert haben, sind zugleich auch die Voraussetzungen des § 12 Satz 2 Nr. 8 AO (Bauausführungs-Betriebsstätten) erfüllt. Soweit die Klägerin als Generalunternehmerin Bauarbeiten auf fremden Grundstücken ausgeführt hat...