Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
Kursverluste aus der Veräußerung von Hybridanleihen mit gestuften Zinsversprechen ohne Laufzeitbegrenzung, die keine Emissionsrendite aufweisen, sind nicht gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG steuerwirksam, da die Vorschrift auf Wertpapiere, bei denen keine Vermengung zwischen Ertrags- und Vermögensebene besteht und bei denen eine Unterscheidung zwischen Nutzungsentgelt und Kursgewinn ohne größeren Aufwand möglich ist, keine Anwendung findet (Fortführung der Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 20.11.2006, VIII R 97/02, BFHE 216, 79, BStBl II 2007, 555).
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 7, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG
Sachverhalt
Die Kläger erklärten negative Einnahmen aus dem Ansatz einer Marktrendite nach der Veräußerung einer Hybridanleihe ohne feste Laufzeit. Der Zinssatz betrug bis 29.1. 2013 jährlich 8,625 %. Die Anlage konnte der Emittent zum 30.1.2013 kündigen. Wenn er nicht kündigte, sollte eine variable Verzinsung nach dem 3‐Monats-EURIBOR nebst einem Risikoaufschlag von 7,3 % gewährt werden. Der Anleger konnte die Anleihe jederzeit an der Börse verkaufen und dabei Kursgewinne oder Kursverluste erzielen.
Das FA berücksichtigte zwar Spekulationsverluste gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, aber keine negative Marktrendite.
Das FG wies die Klage ab (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.8.2012, 4 K 2474/10, Haufe-Index 3457019).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der Kläger als unbegründet zurück.
Zwar hätten die hier zu beurteilenden Anleihen keine Emissionsrendite. Sie hätten im Zeitpunkt der Emission nur bis zum 29.1.2013 eine feste Verzinsung von 8,625 % jährlich aufgewiesen. Sie seien zum 30.1.2013 kündbar gewesen, im Falle der unterbliebenen Kündigung sei eine variable Verzinsung vorgesehen, die nach dem – jederzeit nach den Verhältnissen des Kapitalmarkts änderbaren – 3‐Monats-EURIBOR zzgl. eines Risikoaufschlags von 7,3 % bemessen gewesen sei. Grundsätzlich wäre nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG daher eine Besteuerung nach der Marktrendite geboten.
Jedoch stehe der Gesetzeszweck dem Ansatz der Marktrendite entgegen. Demgemäß seien die Verluste aus der Veräußerung der hier zu beurteilenden Anleihen nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen. Ähnlich wie bei "einfachen Floatern" gebe es weder verdeckte Zinserträge noch eine Vermengung von Ertrags‐ und Vermögensebene. Der Zinsertrag liege vielmehr offen und sei ohne jede Schwierigkeit zu ermitteln.
Hinweis
1. Bei der Beurteilung der Erträge aus Finanzinnovationen ist zu beachten, dass die Rechtsprechung des BFH den Anwendungsbereich des Gesetzes nicht allein aufgrund des Gesetzeswortlauts, sondern maßgeblich (auch) anhand des Gesetzeszwecks bestimmt. Derjenige Rechtsanwender, der sich allein auf den Gesetzeswortlaut verlässt, wird daher in manchen Fällen in die Irre geschickt.
2. Es ist daher zwischen der reinen Wortlautsubsumtion und einer auf den Gesetzeszweck gegründeten teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs der Norm zu unterscheiden.
Unter Emissionsrendite ist die vom Emittenten bei der Begebung einer Anlage von vornherein zugesagte und genau bezifferbare Rendite zu verstehen, die bis zur Einlösung des Papiers oder bis zur Endfälligkeit einer Kapitalforderung erzielt werden kann.
b) |
Danach haben Anleihen keine Emissionsrendite, wenn sie zunächst zwar eine feste Verzinsung aufweisen, ab einem bestimmten Termin aber eine variable Verzinsung vorgesehen ist, die dann jederzeit nach den Verhältnissen des Kapitalmarkts geändert werden kann. Grundsätzlich wäre nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für solche Anlagen eine Besteuerung nach der Marktrendite geboten. |
c) |
Jedoch steht für derartige Anlagen der Gesetzeszweck dem Ansatz der Marktrendite entgegen.
aa) |
Zweck der Neufassung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG durch das Missbrauchsbekämpfungs‐ und Steuerbereinigungsgesetz vom 21.12.1993 war es nicht, die Wertveränderungen jeglicher Anlageformen zu erfassen, sondern lediglich solcher Kapitalanlagen, bei denen an sich steuerpflichtige Zinserträge als steuerfreier Wertzuwachs konstruiert werden. Das Gesetz sollte sicherstellen, da... | |