Im Ergebnis bewirkt die Neuregelung eine Erhöhung des steuerpflichtigen Erwerbs und damit zu einer Erhöhung der Erbschaftsteuer! Was auf den ersten Blick einfach und logisch erscheint, ist in der Praxis, insb. bei einer Erbschaftsteuererklärung bzw. einer (prognostischen) Berechnung einer Erbschaftsteuerbelastung kompliziert; gerade auch in Fällen, in denen eine Steuerbefreiung nach den §§ 13a bis 13c ErbStG zur Anwendung kommt, eine gemischte Schenkung oder eine Schenkung unter Auflage vorliegt oder eine Steuerbefreiung rückwirkend gemindert oder entfällt bzw. rückwirkend erhöht oder erstmals gewährt wird.
aa) Berechnung
In dem Erlass werden eine Berechnungsformel und die Berechnung in mehreren Beispielen dargestellt. Es ist anzunehmen, dass die Berechnung später automatisch vorgenommen werden kann, bzw. in Berechnungstools entspr. Dienstleister übernommen wird.
Im Prinzip sind alle Nachlassverbindlichkeiten i.S.v. § 10 Abs. 5 ErbStG aufzuteilen in solche, die in einem direkten wirtschaftlichen Zusammenhang mit einem einzelnen Vermögensgegenstand stehen (z.B. Grundschuld auf einem Grundstück) und in solche, die in keinem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (z.B. eine Pflichtteilsverbindlichkeit). Neu ist, dass dann die Schulden und Lasten, die nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einzelnen Vermögensgegenständen stehen, auf alle Vermögensgegenstände des Erwerbs aufgeteilt werden müssen. Zum Beispiel muss ein Pflichtteilsanspruch Kapitalanlagen in dem Verhältnis zugeordnet werden, in dem die Kapitalanlagen (netto) zum Gesamtwert aller Vermögenswerte (netto) stehen (vgl. § 10 Abs. 6 Satz 7 ErbStG). Soweit dann ein (Pflichtteilsanspruch-)Anteil auf einen Vermögensgegenstand entfällt, der steuerfrei ist – z.B. auf ein Denkmalobjekt oder auf nach §§ 13a–13c ErbStG befreite Anteile an einer Kapitalgesellschaft, kann insoweit die Pflichtteilsverbindlichkeit nicht (§ 10 Abs. 6 Satz 9 ErbStG) oder nicht anteilig (§ 10 Abs. 6 Satz 10 ErbStG) abgezogen werden. (Hinweis: Der Abzug der anteiligen Schulden und Lasten ist bei einer Steuerbefreiung nach den §§ 13a und 13c ErbStG begrenzt, soweit für das begünstigte Vermögen eine Steuerbefreiung gewährt wird [§ 10 Abs. 6 Satz 10 neu ErbStG – bisher Abs. 6 Satz 4, R E 10.9 Abs. 4 ErbStR 2019]).
bb) Erstmalige Anwendung
Da es sich um eine steuererhöhende Änderung handelt, kann die Regelung nur für die Zukunft angewendet werden. Nach § 37 Abs. 18 ErbStG können betreffenden Schulden erstmals bei Erwerben gemindert werden, für die die Steuer nach dem 28.12.2020 entstanden ist/entsteht.
Beraterhinweis Pauschale Freibeträge wie z.B. jene aus § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG fallen nicht unter die Neuregelung des § 10 Abs. 6 ErbStG (R E 10.10 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2019). Ausgenommen von dieser Kürzung sind kraft Gesetzes die Kosten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG z.B. nachgewiesene Bestattungskosten oder der Pauschbetrag für Erbfallkosten (§ 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG). Auch die Erwerbsnebenkosten, u.a. auch Steuerberater, Rechtsanwalts, Gutachterkosten im Zusammenhang mit einer Schenkung (R E 7.4 Abs. 4 ErbStR 2019 und H E 7.4 (4) ErbStH 2019) sind gem. § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG nicht auf die einzelnen Vermögensgegenstände aufzuteilen.
Infolge der Neuregelung sind diverse Regelungen in den ErbStR 2019 und Berechnungsbeispiele in den Erbschaftsteuerhinweise (ErbStH 2019) überholt; Aufzählung s. Rz. 3 des Erlasses a.E.