Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungsverbot des § 18 BEEG bei Kündigung in der Elternzeit. Beleidigungen auf Facebook-Account als fristloser Kündigungsgrund. Entbehrlichkeit der Abmahnung bei Beleidigung und übler Nachrede. Beleidigende Posts bei Facebook als Kündigungsgrund
Leitsatz (redaktionell)
1. Die außerordentliche Kündigung verstößt nicht gegen das Kündigungsverbot des § 18 Abs. 1 S. 3 BEEG, wenn im Zeitpunkt der Kündigungserklärung die Elternzeit beendet ist, weil die materiellen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 BEEG weggefallen sind.
2. Die Nutzung des eigenen Facebook-Accounts zur öffentlichen Schmähkritik des Arbeitgebers ist geeignet, die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu begründen. Denn dies ist ein Verstoß gegen die Rücksichtspflichten nach § 241 Abs. 2 BGB.
3. Bei groben Beleidigungen und übler Nachrede wie im vorliegenden Fall ist eine Abmahnung entbehrlich.
Normenkette
BGB §§ 134, 241 Abs. 2, § 626 Abs. 1; BEEG §§ 15-16, 18 Abs. 1; GG Art. 5 Abs. 1-2; ZPO § 91 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Entscheidung vom 25.02.2021; Aktenzeichen 8 Ca 272/20) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 25. Februar 2021 (8 Ca 272/20) teilweise abgeändert.
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Widerklage wird abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte das gemeinsame Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24. Juli 2020 wirksam außerordentlich bzw. wirksam ordentlich zum 31. Dezember 2020 kündigen konnte.
Die Klägerin wurde am ... geboren. Sie und ihr Ehemann leben getrennt. Sie haben drei Kinder, die beim Vater leben. Für die Klägerin ist eine Betreuung in Angelegenheiten der Vermögenssorge, der Gesundheitsfürsorge und der Aufenthaltsbestimmung angeordnet. Sie bedarf zu Willenserklärungen, die den Aufgabenkreis der Vermögenssorge betreffen, der Einwilligung des Betreuers. Seit dem 21. Juli 2020 ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ihr Betreuer.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand seit dem 15. Dezember 2009. Nachdem die Klägerin ihre Prüfung zur ... erfolgreich abgeschlossen hatte, wurde sie von der Beklagten ab dem 01. Oktober 2014 als Managerin im Bereich ... beschäftigt. Bei Vollzeitbeschäftigung betrug das Gehalt der Klägerin zuletzt 6.112,50 Euro brutto/Monat. § 9 Abs. 2 des Arbeitsvertrags der Parteien sieht eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende vor.
Die Beklagte beschäftigte zum Kündigungszeitpunkt regelmäßig mehr als zehn vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Es besteht für den Betrieb, dem die Klägerin zurechnet, ein Betriebsrat. Am 30. April 2019 wurden die Zwillinge der Klägerin geboren. Die Klägerin verlangte form- und fristgerecht von der Beklagten, ihr bis zum vollendeten dritten Lebensjahr der Zwillinge Elternzeit zu gewähren. Sie befand sich nach Ablauf der Mutterschutzfrist in Elternzeit, die bis zum 29. April 2022 vorgesehen war. Am 04. November 2019 vereinbarten die Parteien eine Teilzeittätigkeit der Klägerin während der Elternzeit für den Zeitraum 30. April 2020 bis 29. April 2021. Die Klägerin sollte mit einem Zeitanteil von 60 % einer vollzeitbeschäftigten Mitarbeiterin für die Beklagte arbeiten, wobei sie vom 30. April 2020 bis 04. Juni 2020 ihren Jahresurlaub in Anspruch nehmen sollte.
Am 05. Mai 2020 teilte das Amtsgericht ... der Beklagten mit, dass für die Klägerin eine Betreuung angeordnet war. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Schreiben an die Klägerin vom 29. Mai 2020 die Beschäftigung der Klägerin ab dem 05. Juni 2020 ab. Die Klägerin wurde gebeten, zunächst ein ärztliches Attest einzureichen, welches ihre vollständige Arbeitsfähigkeit bestätige.
In der ersten Jahreshälfte 2020 verließ der Ehemann der Klägerin mit den drei Kindern auf Anweisung des Jugendamts das Haus der Familie. Sie kamen bei Freunden unter. Zumindest in den Monaten Januar, März und Mai lebten die Kinder nicht bei der Klägerin. Die Klägerin war durchgehend für ihre Kinder sorgeberechtigt. Sie hatte regelmäßig Kontakt zu ihnen.
Am 10., 11. und 13. Juli 2020 erschienen auf dem Facebook-Account der Klägerin zahlreiche Posts zu Beschäftigten der Beklagten und einem Vorstandsmitglied, am 10. Juli zu der für die Niederlassung der Klägerin zuständigen Personalleiterin, am 11. Juli zu einem Mitglied des Vorstands, einem Bereichsvorstand und einem Partner, am 13. Juli zu ihrer Kollegin N.M. . Die Posts enthielten die Namen und Fotografien der betroffenen Personen. Jeder Facebook-Nutzer konnte die Posts einsehen. Wegen des Inhalts der Posts wird auf die Anlagen B 1 bis B 3 zum Schriftsatz der Beklagten vom 04. September 2020, Prozessakte des Arbeitsgerichts, Bl. 30 ff. Bezug genommen. (Die Schwärzungen waren im Facebook-Account der Klägerin nicht enthalten. Sie stammen von der Beklagten.)
Die Beklagte erlangte am 13. und 14. Juli 2020 Kenntnis von den Posts des Facebook-Accounts der Klägerin. Mit Schreiben vom 20. J...