Entscheidungsstichwort (Thema)

„inkongruente Deckung” im Sinne von § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO bei Zwangsvollstreckung aus Versäumnisurteil. Inkongruente Deckung

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Schuldner, der über fällige Schulden vollstreckbare Urkunden i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO aufnehmen lässt, handelt noch kongruent. Dasselbe gilt für den Gläubiger, der über seine Forderung einen Vollstreckungstitel erwirkt. Dagegen hat der Gläubiger eines Zahlungsanspruchs nicht dessen Durchsetzung mit staatlichen Zwangsmitteln während der Krise des Schuldners i.S.v. § 131 InsO gegenüber den anderen Insolvenzgläubigern zu beanspruchen. Solche Deckungen im Wege der Zwangsvollstreckung sind vielmehr unterschiedslos für alle Gläubiger inkongruent.

 

Normenkette

InsO § 131 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Karlsruhe (Urteil vom 12.04.2010; Aktenzeichen 10 Ca 633/09)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 12.04.2010 (10 Ca 633/09) abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, EUR 4.160,23 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2005 an den Kläger zu zahlen.

2. Der Kläger hat die Mehrkosten zu tragen, die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Karlsruhe entstanden sind. Im Übrigen trägt der Kläger von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens 1/12 und die Beklagte 11/12. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über vom Kläger gegen die Beklagte im Rahmen einer Insolvenzanfechtung geltend gemachte Zahlungsansprüche.

Die Beklagte war als Reinigungskraft Arbeitnehmerin von Herrn M., dem Inhaber der Reinigungsfirma „P.” (künftig: Schuldner). Insbesondere wegen Zahlungsrückständen betreffend das Urlaubsgeld für 2003 und später auch der Vergütung für den Monat April 2004 erhob sie gegen den Schuldner Klage vor dem Arbeitsgericht Karlsruhe. Im Verfahren 2 Ca 730/03 erwirkte die Beklagte ein Versäumnisurteil über EUR 1.188,78. Im Verfahren 2 Ca 172/04 verpflichtete sich der Schuldner im Rahmen eines Vergleichs vom 07.05.2004 EUR 3.440,40 an die Beklagte zu zahlen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete mit Ablauf des 30.04.2004. Zur Durchsetzung ihrer titulierten Forderung beantragte die Beklagte beim Amtsgericht Karlsruhe den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Dieser wurde vom Amtsgericht Karlsruhe am 18.06.2004 über einen Betrag von EUR 4.752,27 erlassen (vgl. Anlagenband Anlage K 2) und enthielt neben den oben genannten Beträgen auch verschiedene Kosten und Gebühren. Mit diesem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss pfändete die Beklagte Forderungen des Schuldners gegenüber der H. gGmbH (künftig: Drittschuldnerin), der gegenüber der Schuldner Forderungen in Höhe von mindestens EUR 5.288,34 aus Reinigungsarbeiten hatte.

Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde der Drittschuldnerin am 24.06.2004 zugestellt (vgl. Anlagenband Anlage K 3). Auf Grundlage dieser Pfändung zahlte die Drittschuldnerin am 05.08.2005 EUR 2.749,20, am 06.09.2004 EUR 1.877,94 und am 08.10.2004 EUR 446,16, insgesamt also EUR 5.073,30 an die Beklagte.

Der Schuldner erwirtschaftete bereits seit 2002 Verluste, die sich durch Auftragskündigungen noch vergrößerten, was zu einem Abbau des Personals von ehemals 40 Arbeitnehmern auf zuletzt noch 16 Arbeitnehmer führte. Er hatte zahlreiche Zahlungsverpflichtungen gegenüber anderen Gläubigern in Höhe von zuletzt mehr als EUR 480.000,00 (vgl. Anlagenband Anlage K 6). Auf Antrag einer Krankenkasse, der am 24.09.2004 bei Gericht einging (vgl. Anlage K 9; Bl. 149 der erstinstanzlichen Akten; I/149), eröffnete das Amtsgericht Karlsruhe im Verfahren 2 IN 201/05 am 01.03.2005 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners wegen Zahlungsunfähigkeit und setzte den Kläger zum Insolvenzverwalter ein.

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 17.10.2005 und 17.01.2007 die Rechtshandlungen der Beklagten und der Drittschuldnerin angefochten und die Beklagte außergerichtlich erfolglos unter Bezugnahme auf § 131 InsO zur Rückzahlung der im Rahmen der Pfändung vereinnahmten Zahlungen der Drittschuldnerin aufgefordert hatte, erhob er beim Landgericht Karlsruhe mit einem dort am 12.06.2008 (Fax) / 16.06.2008 (Original) eingegangenen und der Beklagten am 19.08.2008 zugestellten Schriftsatz Klage.

Das Landgericht Karlsruhe hat durch rechtskräftigen Beschluss vom 29.10.2008 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Karlsruhe verwiesen. Die Beklagte hat im Laufe des Rechtsstreits bei der Bundesagentur für Arbeit Insolvenzgeld beantragt, welches ihr in Höhe von EUR 913,07 bewilligt und direkt auf das Konto des Klägers überwiesen wurden. Insoweit hat der Kläger seinen ursprünglich angekündigten Klageantrag erstinstanzlich für erledigt erklärt. Soweit der Kläger von der Beklagten ursprünglich auch noch die Zahlung von EUR 459,40 Anwaltskosten verlangte, hat er erstinstanzlich seine Klage zurückg...

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