Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamer Einigungsstellenspruch zur Unterrichtungspflicht der Arbeitgeberin gegenüber dem Wirtschaftsausschuss eines abhängigen Unternehmens
Leitsatz (amtlich)
1. Im Konzernverbund ist ein Informationsbeschaffungsanspruch des Wirtschaftsausschusses im abhängigen Unternehmen denkbar, wenn das abhängige Unternehmen über keine oder keine ausreichenden Informationen über Planungen und Vorgaben des herrschenden Unternehmens verfügt, die sich auf das abhängige Unternehmen unmittelbar oder mittelbar auswirken können, und der Wirtschaftausschuss ohne diese Informationen seine Hilfsfunktion für den Betriebsrat nicht sinnvoll erfüllen kann.
2. Hingegen lässt sich aus § 106 Absatz 2 BetrVG kein Anspruch ableiten, generell über die wirtschaftliche Lage des herrschenden Unternehmens unterrichtet zu werden.
Normenkette
BetrVG § 106 Abs. 2, §§ 109, 106 Abs. 3, § 109 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Brandenburg (Entscheidung vom 09.08.2017; Aktenzeichen 3 BV 28/16) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 9. August 2017 - 3 BV 28/16 - sowie der Widerantrag des Beteiligten zu 2) werden zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs über die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses.
Die Arbeitgeberin (kurz "B.E.S.") und Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin) gehört zur italienischen R.-Gruppe. Sie ist eine 94%ige Tochtergesellschaft der R. S. GmbH (im Folgenden: RS) und bildet zusammen mit dieser und zwei Schwestergesellschaften, der H.E.S. H. E. GmbH (im Folgenden: H.E.S.) und der Betonstahl L. GmbH (im Folgenden: BSL), einen Konzern iSd. § 18 Absatz 1 Aktiengesetz (AktG). Ein Konzernbetriebsrat existiert nicht.
Die Arbeitgeberin betreibt ein Elektrostahlwerk mit Walzwerk und Weiterverarbeitungsbereich, in dem aus Schrott Stahl produziert, anschließend zu Walzdraht gewalzt und teilweise unter anderem zu Betonstahlmatten weiterverarbeitet wird. Sie beschäftigt etwa 750 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ist ausschließlich im Auftrag der RS tätig. Der Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Betriebsrat) ist der für das Elektrostahlwerk gebildete 13-köpfige Betriebsrat. Ein Wirtschaftsausschuss ist gebildet.
Die RS beschäftigt regelmäßig weniger als 100 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es existiert weder ein Betriebsrat noch ein Wirtschaftsausschuss.
Zwischen der Arbeitgeberin und der RS bestehen ein Verarbeitungs- und ein Gewinnabführungsvertrag. Die RS stellt der Arbeitgeberin den von ihr auf dem Markt eingekauften Schrott zur Verfügung, bestimmt die herzustellenden Produkte und verkauft diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Für die Verarbeitung erhält die Arbeitgeberin eine Vergütung in Höhe der Verarbeitungskosten zuzüglich eines Gewinn- und Risikoausschlags von 2%.
Bis August 2016 war einer der Geschäftsführer der Arbeitgeberin auch Geschäftsführer der RS. Es besteht eine umsatz-, gewerbe- und körperschaftsteuerliche Organschaft mit der RS als Organträger. Im Geschäftsjahr 2014 wurde zur Absicherung eines von der RS aufgenommenen langfristigen Darlehens das Grundvermögen der Arbeitgeberin mit einer Grundschuld belastet und die technischen Anlagen und Maschinen "abgetreten". Außerdem sind Bankverbindlichkeiten der RS in Höhe von 154.062,00 Euro mit Geschäftsanteilen und wesentlichen Teilen des Anlagevermögens der Tochtergesellschaften gesichert. Ferner hat die RS gegenüber dem Landesamt für Umwelt (LfU) Brandenburg eine selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von 3,8 Mio. Euro als Sicherheit für die Betriebs- und Nachsorgephase der "Deponie" übernommen.
Nachdem im Spätsommer 2015 die Verkaufspreise für Walzdraht auf dem Europäischen Markt aufgrund der Konkurrenz aus China, Brasilien und mehreren osteuropäischen Ländern stark gesunken waren, führte die Arbeitgeberin ab Februar 2016 mit Zustimmung des Betriebsrats Kurzarbeit ein. Gleichzeitig wurde beschlossen, den Weiterverarbeitungsbereich, der bisher nur einen Randbereich ausgemacht hatte, erheblich auszuweiten. Aufgrund von Differenzen der Betriebsparteien über die Fortführung der Kurzarbeit ab Juli 2016 kam es im Juni 2016 zu einem Einigungsstellenverfahren. Im Rahmen des Einigungsstellenverfahrens forderte der Betriebsrat eine Vielzahl von die RS betreffende Unterlagen. Die Forderung nach Informationen und Unterlagen über die wirtschaftliche Situation der RS waren auch schon Gegenstand von Erörterungen im Wirtschaftsausschuss. Schließlich einigte man sich auf die Fortführung der Kurzarbeit und die Bildung einer neuen Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Auskunft an den Wirtschaftsausschuss" unter dem Vorsitz des Richters am Arbeitsgericht a.D. V. R.. Wegen der Einzelheiten wird auf die am 1. Juli 2016 getroffene "Vereinbarung über Einzelheiten der Kurzarbeit im ...