Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens; Arbeitsentgelt; Urlaubsgeld
Leitsatz (amtlich)
1.
Grundlage jeder Berechnung des pfändbaren Einkommens ist § 850 e ZPO. Die pfändbaren Teile des Arbeitseinkommens werden anhand des Nettolohnes ermittelt. Als Nettolohn ist gemäß § 850 e Nr. 1 ZPO der Betrag anzusehen, der vom Gesamteinkommen (Bruttoeinkommen) nach Abzug der nach § 850 a ZPO der Pfändung entzogenen Beträge und nach Abzug der Beträge verbleibt, die unmittelbar aufgrund steuerlicher oder sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind.
2.
Dabei ist ein nach § 850 a Nr. 2 ZPO unpfändbares Urlaubsgeld als Bruttobetrag vom Gesamtbruttoeinkommen abzuziehen, obwohl dies zu einer doppelten Berücksichtigung der auf das Urlaubsgeld entfallenden Abzüge führt.
Normenkette
ZPO § 850 a Nr. 2, § 850 e Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 14.05.1999; Aktenzeichen 77 Ca 36697/98) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 14.05.1999 – 77 Ca 36697/98 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens, wobei die Klägerin die Beklagte als Drittschuldnerin auf Zahlung abgetretenen Arbeitseinkommens in Anspruch nimmt.
Aufgrund des Darlehensvertrages vom 6./22. August 1992 (vgl. dazu in Kopie den Darlehensvertrag Bl. 4 bis 6 d.A.) stehen der Klägerin, einer …, gegen Herrn … (im folgenden Arbeitnehmer genannt) erhebliche Darlehensrückzahlungsansprüche zu. Da der Arbeitnehmer mit diesen Rückzahlungsverpflichtungen in Verzug geriet, machte die Klägerin die Rechte aus der in Ziffer 11 des Darlehensvertrages enthaltenen Lohn- und Gehaltsabtretung gegenüber der Beklagten, der Arbeitgeberin, unter gleichzeitiger Vorlage der Zession geltend. Die Beklagte führt seit geraumer Zeit pfändbare Beträge vom Einkommen des Arbeitnehmers ab.
Im Monat Mai 1998 erfolgte durch die Beklagte keine Zahlung. Zugrunde lag die Lohnabrechnung April 1998. Auf Nachfrage teilte die Beklagte mit, daß der Arbeitnehmer ein „unpfändbares Urlaubsgeld in Höhe von 3.660,30 DM” erhalten hätte. Da die gesetzlichen Abzüge vom ursprünglichen Bruttoentgelt (mit Urlaubsgeld) zu berechnen seien, habe sich eine Nettobasis von 1.060,– DM und somit kein pfändbarer Betrag ergeben.
Die Klägerin hat mit ihrer beim Arbeitsgericht Berlin am 8. Dezember 1998 eingegangenen Klage die Auffassung vertreten, daß diese Berechnungsweise, die auch von der herrschenden Meinung so gehandhabt werde, grob unbillig sei, weil der Pfändungsschuldner bzw. Zedent dadurch wirtschaftlich besser gestellt werde als andere Arbeitnehmer, denen das Urlaubsgeld nur in „netto” nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsabgaben verbleibe. Auf Seiten der Pfändungsgläubiger führe eine derartige Berechnung dazu, daß in Monaten, in denen Urlaubsgeld gezahlt werde, sich der pfändbare Betrag verringere oder überhaupt kein Betrag pfändbar sei, da von dem laufenden Einkommen noch die Steuern und Sozialversicherungsabgaben in Abzug gebracht würden, die auf das Urlaubsgeld entfielen. Dieses sogenannte „Bruttoprinzip” führe dazu, daß bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens die auf das Urlaubsgeld entfallenden Abzüge für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge rechnerisch doppelt abgesetzt würden. Dies bedeute nichts anderes, als daß das Urlaubsgeld als Abzugsposten über den Bruttobetrag hinaus Eingang in die Berechnung des Pfändungsbetrages finde. Aus dem Wortlaut des § 850 a ZPO ergebe sich nicht, daß das „Bruttoprinzip” Anwendung finden müsse. Einziger denkbarer Lösungsansatz könne das sogenannte „Nettoprinzip” sein. Sachgerecht beziehe sich die Unpfändbarkeit des Urlaubsgeldes nur auf den Nettobetrag, so daß sich auf den hier zu entscheidenden Fall unter Bezugnahme auf die Mitteilung der Beklagten folgende Berechnung ergebe:
Urlaubsgeld |
3.660,30 DM |
zuzüglich ausgezahltes Netto-Einkommen ohne Urlaubsgeld |
1.060,00 DM |
ausgezahlter Betrag insgesamt |
4.726,30 DM |
Bei einer Unterhaltspflicht betrage der pfändbare Betrag bei einem monatlichen Nettoeinkommen von 4.726,03 DM oder 4.726,30 DM nach den Lohnpfändungstabellen zu §§ 850 ff ZPO insgesamt 1.981,50 DM, die mit der Klage geltend gemacht würden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.981,50 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat auf die herrschende Meinung zu § 850 e ZPO verwiesen und diese sich aus dem Gesetz ergebende Regelung nicht für unbillig gehalten.
Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 14. Mai 1999 die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf das Urteil Bl. 37 bis 42 d.A. gemäß § 543 Abs. 1 ZPO verwiesen.
Gegen dieses ihr am 13. September 1998 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin am 13. Oktober 1999 eingegangene und am 27. Oktober 1999 begründete Berufung der Kl...