Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Altersgrenze für Kabinenpersonal
Leitsatz (amtlich)
Die in § 27 Abs. 2 MTV Nr. 4 für das Bordpersonal der Hapag Lloyd geregelte Altersgrenze von 55 Jahren (mit einer Verlängerungsmöglichkeit von max. 2 Jahren) für das Kabinenpersonal ist mit der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit (art. 12 Abs. 1 GG) nicht vereinbar und daher unzulässig.
Normenkette
GG Art. 12; SGB VI §§ 620, 41; Bordpersonal der Hapag Lloyd Fluggesellschaft mbH § 27 Nr. 4
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 09.08.2000; Aktenzeichen 10 Ca 1921/00) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 09.08.2000 wird kostenfällig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer tariflichen Altersgrenzenregelung für Kabinenpersonal in Passagierflugzeugen.
Die am 18. März 1945 geborene Klägerin ist seit dem 1. August 1972 als Stewardess bei der beklagten Luftfahrtgesellschaft bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit und kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme die für die Beklagte geltenden Haustarifverträge, namentlich der Manteltarifvertrag Nr. 4 für das Bordpersonal der H. Fluggesellschaft mbH (nachfolgend:MTV-Bordpersonal HF), Anwendung.
§ 27 MTV-Bordpersonal HF i. d. F. v. 08.11.1998 bestimmt wörtlich:
(1) Das Arbeitsverhältnis des Cockpitpersonals endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, spätestens mit Ablauf des Jahres, in dem das 60. Lebensjahr vollendet wird. Es kann im gegenseitigen Einvernehmen auch vor dem 60. Lebensjahr, aber nicht vor Vollendung des 55. Lebensjahres beendet werden. …
(2) Das Arbeitsverhältnis des Kabinenpersonals endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, grundsätzlich mit Ablauf des Monats, in dem das 55. Lebensjahr vollendet wird. Die Mitarbeiter erhalten die Möglichkeit, das Beschäftigungsverhältnis zweimal bis max. zur Vollendung des 57. Lebensjahres zu verlängern. Diese Verlängerung erfolgt grundsätzlich in Teilzeit nach den üblichen Modellen. HF wird ab Erreichen der tarifvertraglichen Altersgrenze eine angemessene Weiterbeschäftigung am Boden anbieten, wenn dem keine wichtigen persönlichen Gründe des Arbeitnehmers oder betriebliche Gründe von HF entgegenstehen. In diesem Fall kann jedoch aus der vorangegangenen Tätigkeit als Bordpersonal kein Anspruch auf Fortzahlung der bis dahin gezahlten Bezüge abgeleitet werden.
Nach dem Tarifvertrag Nr. 2 Versorgung und Versicherungen für das Bordpersonal vom 15.10.1998 hat das Kabinenpersonal bei Ausscheiden wegen Erreichens der tariflichen Altergrenze einen Anspruch wahlweise auf Abfindung oder auf Übergangsversorgung.
Im Dezember 1999 verlangte die Klägerin vergeblich von der Beklagten die Fortsetzung des Vollzeitarbeitsverhältnisses über die Vollendung des 55. Lebensjahres hinaus. Unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Klärung ihrer Meinungsverschiedenheit und „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht” kamen die Parteien über die auf längstens zwei Jahre befristete Beschäftigung der Klägerin in Monatsteilzeit für die Zeit ab dem 1. April 2000 überein.
Mit der im März 2000 vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf erhobenen Klage hat die Klägerin die Rechtsunwirksamkeit der tariflichen Altersgrenzenregelung geltend gemacht. Sie sieht hierin eine unzulässige Einschränkung des Grundrechtes aus Art. 12 Abs. 1 GG sowie eine Benachteiligung des Kabinenpersonals gegenüber dem Cockpitpersonal, das bis zum 60. Lebensjahr beschäftigt werde.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31.03.2000 hinaus als Vollzeitarbeitsverhältnis fortbesteht und nicht aufgrund einer tariflichen Altersgrenze gemäß § 27 II des Manteltarifvertrages Nr. 4 für das Bodenpersonal der H. Fluggesellschaft mbH in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 06. November 1998 vor Vollendung des 60. Lebensjahres der Klägerin aufgelöst werden kann.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die Altersgrenzenregelung und geht hiernach von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien aus. Das Arbeitsverhältnis der Kabinenmitarbeiter sei – so trägt die Beklagte vor – tariflich nicht als Lebensarbeitsverhältnis, sondern mit Rücksicht auf die berufsspezifischen Belastungen und den persönlichen, psychischen und familiären Stress als Lebensabschnittsarbeitsverhältnis ausgestaltet worden. Im Gegensatz zum Cockpitpersonal müsse das Kabinenpersonal schwere körperliche Arbeiten verrichten, nämlich Passagieren behilflich sein, Gepäck unter Sitzen und in Ablagefächern verstauen, schwere Trollys mit Essen und Getränken durch die Gänge schieben und die Passagiere bewirten. Dabei habe das Kabinenpersonal die Passagiere stets höflich und zuvorkommend zu behandeln. In Gefahrensituationen und Notfällen trage das Kabinenpersonal eine sehr ho...