Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Übung. Nachträglicher Freiwilligkeitsvorbehalt. Änderung der betrieblichen Übung. Wegfall des Vertrauensfallbestandes
Leitsatz (amtlich)
1. Der Arbeitgeber kann nach den vom Zehnten Senat des BAG aufgestellten Grundsätzen (Urt. vom 26. März 1997 – 10 AZR 612/96) eine betriebliche Übung ändern.
2. Hat der Arbeitgeber auf einer Betriebs-/Mitarbeiterversammlung darauf hingewiesen, daß Ausgleichstage nicht mehr gewährt werden können, sobald der Drittmittelgeber an dieser Übung Anstoß nimmt, kann sich ein danach übernommener Arbeitnehmer, für den diese Übung zuvor nicht galt, grundsätzlich nicht mehr auf die zunächst noch weiterbestehende betriebliche Übung berufen, obwohl in seinem (danach abgeschlossenen) Arbeitsvertrag noch auf die „betriebsüblichen” Ausgleichstage Bezug genommen wird.
3. Das ihm vom Arbeitgeber unterbreitete Übernahmeangebot ist vor dem Hintergrund der zuvor erfolgten Ankündigung auszulegen. Unter Berücksichtigung von Treu und Glauben muß der Arbeitnehmer die im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Übernahme erfolgte Ankündigung des künftigen Wegfalls der Ausgleichstage daher im Sinne eines Freiwilligkeitsvorbehalts verstehen, so daß es in bezug auf sein Arbeitsverhältnis gar nicht mehr einer entsprechenden Änderung der betrieblichen Übung nach den hierfür maßgeblichen Grundsätzen bedarf
Normenkette
BGB §§ 242, 133, 157
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 20.10.1999; Aktenzeichen 16 Ca 136/98) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 20. Oktober 1999 – 16 Ca 136/98 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung nach wie vor zusätzliche Ausgleichstage zustehen.
Die Beklagte führt berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen und Maßnahmen der beruflichen Erstausbildung von überwiegend benachteiligten Jugendlichen durch. Finanziert werden diese Maßnahmen durch die … Der Kläger war seit Oktober 1987 als Dozent (u. a. für die Fächer kaufmännisches Rechnen und Wirtschaftslehre) zunächst für die … tätig.
Zum 1. September 1991 ist der Kläger von der im selben Jahr gegründeten Beklagten eingestellt worden, und zwar ebenfalls als Dozent für kaufmännisches Rechnen und Wirtschaftslehre und unter Anrechnung der Dienstzeit bei der genannten Fachschule. Ziffer 6 des Arbeitsvertrags vom 28. August 1991 (Bl. 4–8 d.A.) lautet:
Der Arbeitnehmer erhält kalenderjährlich einen Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen. Mit Rücksicht auf die Besonderheiten des Einsatzes in den IoA-Maßnahmen wird folgendes vereinbart:
Über- und Mehrarbeitsstunden, die im Laufe der elfmonatigen Maßnahme vom Arbeitnehmer geleistet werden, werden mit der unterrichtsfreien Zeit, die jeweils zwischen zwei Maßnahmen anfällt, verrechnet. Darüber hinausgehende Über- und Mehrarbeitsstunden werden je nach Wunsch des Arbeitnehmers abgegolten oder durch Freizeitausgleich gewährt. Das gilt auch für die betriebsüblichen acht unterrichtsfreien Tage pro Kalenderjahr.
Hinsichtlich der im letzten Satz erwähnten „betriebsüblichen acht unterrichtsfreien Tage pro Kalenderjahr” verhält es sich wie folgt: Bei der … der Vorarbeitgeberin des Klägers, gab es diese von den Parteien sogenannten Ausgleichstage nicht. Betriebsüblich waren diese jedoch bei der …, die ebenfalls zur … gehört und von der eine Mehrzahl von Arbeitnehmern, nämlich eine Abteilung, von der Beklagten seinerzeit ebenfalls eingestellt wurde. Der Kläger und die Arbeitnehmer … und … (ebenfalls von der …) sollten „in die Handhabung einer betrieblichen Übung einbezogen” werden, wie die Beklagte im Berufungstermin hat vortragen lassen. Für den Kläger spiegelt sich in diesem Vertragspassus das Verhandlungsergebnis zwischen ihm und der Geschäftsführerin … der Beklagten wider. Weil er, wie er vorträgt, zuvor ein übertarifliches Entgelt erhielt und, wie unstreitig, bei der Beklagten reines Tarifgehalt bezieht, sei der Zubilligung der acht unterrichtsfreien Tage eine gewisse Ausgleichsfunktion zugekommen.
Diese acht Ausgleichstage wurden von der Beklagten dann in der Folgezeit sämtlichen Dozentinnen und Dozenten bis einschließlich 1997 jährlich zusätzlich zum Jahresurlaub gewährt. Am 27. Juni 1997 erklärte die Beklagte auf einer Betriebsversammlung, diese Ausgleichstage würden ersatzlos gestrichen; es würde sie künftig nicht mehr geben. Zur Vorgeschichte dieser Erklärung ist unstreitig: Am 25. Juni 1991, also noch vor Einstellung des Klägers durch die Beklagte, hatte es eine Betriebsversammlung/Mitarbeiterversammlung aller künftigen Dozentinnen und Dozenten der Beklagten gegeben. Bei dieser Gelegenheit erklärte der Vorstand der Stiftung, … in bezug auf diese Ausgleichstage, daß es sie künftig so nicht mehr geben werde, weil sie nicht mehr gewährt werden könnten, falls der Kostenträger Anstoß an dieser Wohltat nehmen würde. Der genaue Wortlaut dieses Vo...