Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine PKH-Ablehnung bei fehlender Fristsetzung zur Mängelbehebung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Ablehnung der Prozeßkostenhilfe nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO wegen mangelnder Mitwirkung des Antragstellers bei der Ermittlung der Bewilligungsvoraussetzungen setzt daher eine wirksame Fristsetzung durch das Gericht voraus. Gleiches gilt für eine Ablehnung der Prozeßkostenhilfe analog § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO wegen Vorlage einer unvollständig ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.
2. In der Regel scheidet eine nachträgliche Bewilligung von Prozeßkostenhilfe aus, wenn die Bewilligungsreife für die begehrte Prozeßkostenhilfe erst nach Abschluß der Instanz oder des Verfahrens eintritt, weil die nach § 117 Abs. 2 ZPO vorzulegenden Erklärungen und/oder Belege erst nach diesem Zeitraum übermittelt werden. Gleiches muß gelten, wenn der PKH-Vordruck und/oder die Unterlagen erst nach Instanz- oder Verfahrensbeendigung vervollständigt werden.
3. Nach Eingang eines PKH-Gesuchs darf das Arbeitsgericht nicht bis zur Instanz- bzw. Verfahrensbeendigung zuwarten und dann den PKH-Antrag wegen Unvollständigkeit des Vordrucks und/oder der Unterlagen zurückweisen. Das Arbeitsgericht muß den Antragsteller zwar nicht unverzüglich (§ 121 Abs. 1 BGB), wohl aber so rechtzeitig unter Fristsetzung auf die Mängel des PKH-Gesuchs hinweisen, daß diese vor dem (nächsten) Termin, der je nach dem Zeitpunkt der Einreichung des PKH-Gesuchs der Güte- oder der Kammertermin sein kann, und damit vor der (möglichen) Instanz- oder Verfahrensbeendigung behoben werden können.
Normenkette
ZPO § 117 Abs. 2, 4, § 118 Abs. 2 S. 4
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Beschluss vom 28.03.2002; Aktenzeichen 2 Ca 4267/01) |
Tenor
Auf die Beschwerde wird der PKH-Ablehnungsbeschluß des Arbeitsgerichts vom 28.03.2002 – 2 Ca 4267/01 – aufgehoben:
wird für den ersten Rechtszug mit Wirkung vom 07.03. 2002 in vollem Umfang Prozeßkostenhilfe bewilligt und zur Wahrnehmung Rechte in diesem Rechtszug Rechtsanwalt D2. M2xxxx S2xxxxx unter Ausschluß der Erstattungsfähigkeit von Tage- und Abwesenheitsgeldern sowie etwaiger Reisekosten vom Orte der Kanzlei (M3xxxxx) zum Gerichtsort (B7xxxxxxx) mit der Maßgabe beigeordnet, daß einstweilen keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozeßverfolgung zu leisten braucht.
Tatbestand
I. hat mit Klageschrift vom 19.12.2001, bei dem Arbeitsgericht am 27.12.2001 eingegangen, eine Lohnklage erhoben. Gleichzeitig hat um ratenfreie Prozeßkostenhilfe sowie um Beiordnung von D2. M2xxxx S2xxxxx aus M3xxxxx nachgesucht.
Der Vorsitzende hat am 02.01.2002 das PKH-Beiheft der Rechtspflegerin mit dem nach § 20 Nr. 4 Buchst. a RPflG erteilten Auftrag vorlegen lassen, die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der PKH-Bewilligung (§ 114 Satz 1 ZPO) im Rahmen des § 118 Abs. 2 ZPO zu prüfen und aufzuklären, insbesondere nötigenfalls fehlende Belege anzufordern und gebotene Auskünfte einzuholen sowie die Höhe der in Betracht kommenden Monatsraten zu ermitteln. Die Rechtspflegerin hat am 07.01.2002 verfügt: „z.T.”.
Im Gütetermin vom 07.03.2002 haben die Parteien den Rechtsstreit im Vergleichswege beendet. Die Rechtspflegerin hat das PKH-Beiheft dem Vorsitzenden am 13.03.2002 mit dem Vermerk vorlegen lassen:
Der Antrag blieb unbegründet und sollte daher zurückgewiesen werden.
Der Vorsitzende hat die Prozeßbevollmächtigten mit Zwischenverfügung vom 15.03.2002 darauf hingewiesen, daß der PKH-Antrag vom 19.12.2001 bisher nicht begründet worden sei und daß nach zwischenzeitlichem Abschluß des Verfahrens dies auch nicht mehr relevant nachgeholt werden könne, da Prozeßkostenhilfe nur rückwirkend auf den Zeitpunkt bewilligt werden könnte, in dem die erforderlichen Unterlagen vorlägen. Unter Fristsetzung von zehn Tagen wurde angefragt, ob der Antrag zurückgenommen werde.
Unter Vorlage eines Beratungshilfeformulars vom 01.02.2002 hat die Klägerin über ihre Prozeßbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 20.03.2002 ihre Einkommensverhältnisse, Mietbelastungen und Kreditverpflichtungen offengelegt und gerügt, daß bis zum gerichtlichen Schreiben vom 15.03.2002 zu keiner Zeit ein richterlicher Hinweis auf eine fehlende Begründung des PKH-Gesuchs ergangen sei.
Das Arbeitsgericht hat sodann das PKH-Gesuch durch Beschluß vom 28.03.2002 (2 Ca 4267/01) mit der Begründung zurückgewiesen, die PKH-Bewilligung könne rückwirkend nur für den Zeitpunkt erfolgen, in dem die Partei einen formgerechten Antrag gestellt habe. Dies erfordere die Einreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Sofern der Antrag erst nach Abschluß der Instanz formgerecht eingereicht werde, sei der Antrag dementsprechend zurückzuweisen. Vorliegend sei das Verfahren durch Vergleich vom 07.03.2002 in diesem Instanzenzug beendet worden. Bis dahin habe ein formgerechter Antrag auf Prozeßkostenhilfe nicht vorgelegen. Es habe die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gefehlt, die erst mit Schriftsa...