Entscheidungsstichwort (Thema)
Initiativrecht des Betriebsrats bei Einführung einer elektronischen Zeiterfassung. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats immer mit Initiativrecht
Leitsatz (amtlich)
Dem Betriebsrat steht bei der Einführung einer elektronischen Zeiterfassung ein Initiativrecht zu (Abweichung BAG, Beschluss vom 28.11.1989, 1 ABR 97/88).
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 6, § 76 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Minden (Entscheidung vom 15.09.2020; Aktenzeichen 2 BV 8/20) |
Tenor
- Auf die Beschwerde des Betriebsrates wird derBeschluss des Arbeitsgerichts Minden vom 15.09.2020 - 2 BV 8/20 - abgeändert und festgestellt, dass der Betriebsrat hinsichtlich der initiativen Einführung einer elektronischen Zeiterfassung im Betrieb "A" ein Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Ziff. 6BetrVG hat.
- Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten vor dem Hintergrund eines ausgesetzten Einigungsstellenverfahrens um die Frage, ob dem antragstellenden Betriebsrat ein Initiativrecht bei der Einführung einer elektronischen Zeiterfassung zusteht.
Die Beteiligten zu 2. und 3. (im Folgenden: Arbeitgeberinnen) betreiben eine vollstationäre Wohneinrichtung im Rahmen der Eingliederungshilfe als gemeinsamen Betrieb.
Die Beteiligten führten ab dem Jahre 2017 Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit, die 2018 durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung "BV Clinic Planner" abgeschlossen wurden. Im Zusammenhang mit diesen Verhandlungen, auch im Nachgang hierzu, fanden ebenso Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung statt. Noch unter dem 06.12.2017 übersandten dieArbeitgeberinnen an den Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates eine "Rohfassung der BV Zeiterfassung", zu der noch Verhandlungsbedarf bestehe. Auf die Kopien Bl. 146 ff d. A. wird Bezug genommen. Ein weiterer Entwurf folgte am 23.01.2018 (Bl. 150 ff d. A.). Eine Einigung über eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung erfolgte nicht; Ende Mai 2018 entschlossen sich die Arbeitgeberinnen, auf die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung zu verzichten. Die für eine elektronische Zeiterfassung notwendige "Hardware" in Form von Lesegeräten waren von den Arbeitgeberinnen bereits angeschafft worden; die Nutzung und Pflege eines solchen Systems durch Einbindung eines Dienstleisters ist zu keinem Zeitpunkt beauftragt worden.
Nach Abbruch der Verhandlungen über die "BV Zeiterfassung" leitete der Betriebsrat zum Aktenzeichen 2 BV 25/18 (Arbeitsgericht Minden) ein Beschlussverfahren zur Einsetzung einer Einigungsstelle zum Thema "Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung" ein. Durch Beschluss vom 07.12.2018 (Kopie Bl. 6 ff d. A.), bestätigt durch den Beschluss des LAG Hamm vom 04.06.2019, 7 TaBV 93/18 (juris), wurde die entsprechende Einigungsstelle eingesetzt, die sodann ihre Tätigkeit aufnahm. Im Rahmen einer Sitzung der Einigungsstelle vom 16.01.2020 rügten die Arbeitgeberinnen die Zuständigkeit der Einigungsstelle unter Hinweis darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 28.11.1989, 1 ABR 97/88) bei Einführung einer technischen Einrichtung i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ein Initiativrecht des Betriebsrates nicht bestehe. Die Einigungsstelle fasste sodann den Beschluss, dass das Einigungsstellenverfahren ausgesetzt werde und die Zuständigkeit der Einigungsstelle im Rahmen eines gesonderten arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens geprüft werden solle. Für den Fall einer rechtskräftigen Feststellung der Unzuständigkeit solle das Einigungsstellenverfahren beendet sein. Wegen der Einzelheiten der Sitzung der Einigungsstelle vom 16.01.2020 wird auf die Protokollkopie Bl. 20 ff d. A. Bezug genommen.
Mit dem vorliegenden Antrag auf Einleitung eines Beschlussverfahrens, beim Arbeitsgericht Minden am 19.02.2020 eingegangen, begehrt der Betriebsrat die Feststellung eines Initiativrechtes bei der Einführung einer elektronischen Zeiterfassung.
Der Betriebsrat hat vorgetragen:
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG sei umfassend; eine Einschränkung im Gesetzeswortlaut, dass sich etwa dieses Mitbestimmungsrecht nur auf die Ausgestaltung des Betriebs der technischen Einrichtung beziehe, gebe es nicht. Soweit das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 28.11.1989 beschrieben habe, dass der Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechtes bei Einführung einer technischen Kontrolleinrichtung eine Beschränkung als Abwehrrecht erfahren müsse, da es Aufgabe des Betriebsrates sei, bei vom Arbeitgeber initiierten Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer mitzubestimmen, folge der Betriebsrat dem nicht. Dies sei zu eingrenzend, da es andere schützenswerte Rechte geben könne, die dem Persönlichkeitsschutz überwiegen. Gerade wenn es um die genaue Erfassung von Arbeitszeit und Überstunden gehe, könne es auch ausArbeitnehmersicht gut sein, "mehr Kontrolle" zu verlangen. Insbesondere auch zur E...