Prof. Dr. Franz Jürgen Marx
1. Grundaussagen
Rz. 12
Das Landesgrundsteuergesetz BW will den Vorgaben zur Neuordnung der Grundsteuer, die das BVerfG im Urteil vom 10.4.2018 festgelegt hat, in vollem Umfang entsprechen. Nach der Gesetzesbegründung werden darüber hinaus auch weitere Vorgaben beachtet, zu denen als zentraler Baustein die Möglichkeit einer bürokratiearmen Aktualisierung der Bewertung gehört.
Rz. 13
Die Gesetzesbegründung des Landesgrundsteuergesetzes BW verweist zutreffend darauf, dass der Gesetzgeber einen weiten, vom Bundesverfassungsgericht nur begrenzt überprüfbaren Spielraum zur Bestimmung des Steuergegenstandes und des Steuersatzes habe. Zulässig sind daher verschiedene Modelle, die die Anforderungen an ein gleichheitsgerechtes Bewertungsverfahren erfüllen (GrStG VerfR Rz. 25). Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat die verfassungsrechtlichen Spielräume zur Ausgestaltung äquivalenztheoretischer Modelle erweitert, indem die konkrete Belastungsentscheidung durch den jeweiligen Gesetzgeber getroffen wird (vgl. GrStG VerfR Rz. 26). Für die nach dem Landesgrundsteuergesetz BW zu erhebende Grundsteuer beruht die Belastungsentscheidung nach der Gesetzesbegründung vorrangig auf dem Äquivalenzgedanken, sodass der Steuergegenstand beim Grundvermögen auf den Grund und Boden beschränkt wird, was durch die Entscheidung des BverfG ausdrücklich zugelassen sei. Hierzu wird in der Begründung auf den Zusammenhang mit kommunalen Infrastrukturleistungen, die durch Beiträge und Gebühren nicht vollständig abgegolten werden können und dem Grundstückseigentümer zu Gute kommen, hingewiesen. Die Entwurfsbegründung des ÄndGLGrStG nennt neben der Zurverfügungstellung der kommunalen Infrastruktur, die Grünanlagen, die Spielplätze und vor allem auch die allgemeine Daseinsvorsorge. Damit wird eine Nutzenäquivalenz zugrunde gelegt, die sowohl wissenschaftlich vertretbar als auch rechtspraktisch zulässig ist (s. GrStG VerfR Rz. 22 m.w.Nw.). Es ist von einer gruppenmäßigen, nicht von einer individuellen Nutzenäquivalenz auszugehen. Die Steuer wird daher nicht als Gegenleistung für die konkreten gemeindlichen Leistungen definiert, wenngleich eine umfassende und nach Relevanz geordnete Darstellung gemeindlicher Leistungen sinnvoll gewesen wäre. Im Gesetz selbst wird dieser abstrakte Zusammenhang zwischen der Grundsteuer und dem Grundstückswert, in dem sich die kommunalen Infrastrukturleistungen widerspiegeln, nicht explizit aufgeführt. Die Entwurfsbegründung des ÄndGLGrStG stellt nicht allein auf die Nutzenäquivalenz ab. Durch den Bezug auf den konkreten Wert des Grund und Bodens wird nicht überzeugend auf die vermittelte Leistungsfähigkeit als zweiten Belastungsgrund abgestellt, was die Bedeutung der Nutzenäquivalenz abschwächt.
Rz. 14
Im Landesgrundsteuergesetz BW selbst fehlt nach wie vor die explizite Nennung des Belastungsgrunds der Grundsteuer. Das Bereitstellen örtlich radizierbarer kommunaler Infrastrukturleistungen und die Notwendigkeit ihrer Finanzierung werden dort nicht benannt. Während ein kleiner Teil der grundstückbezogenen gemeindlichen Leistungen gebühren- und beitragsfinanziert ist, gibt es heterogene gemeindliche Infrastrukturleistungen und Ressourcen, die durch lokale Steuern finanziert werden müssen. Es wäre notwendig gewesen, diesen abstrakten Zusammenhang zwischen der Grundsteuer und dem Bodenwert, in dem sich die kommunalen Infrastrukturleistungen widerspiegeln, im Gesetz selbst herauszustellen. Das ÄndGLGrStG hat dieses regulatorische Defizit nicht beseitigt. Die Bereitschaft zur Steuerzahlung steigt, wenn die Zensiten der Abgabe einen positiven Nutzen zuweisen.
Rz. 15
Die fehlende ausdrückliche Nennung und Erläuterung des Belastungsgrunds in § 1 Abs. 1 LGrStG BW ist vermutlich auf die nicht stimmige Kombination zweier unterschiedlicher Bewertungsverfahren zurückzuführen, die im Folgenden erläutert werden. Konzeptioneller Ausgangspunkt ist zunächst die Festlegung, dass die Grundsteuer wertabhängig zu bemessen ist. Während für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen auf den Ertragswert abgestellt wird, erfolgt die Bewertung des übrigen Grundbesitzes mit dem Bodenwert. Diese Lösung ist erkennbar von Pragmatismus geprägt. Auf den Einbezug land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke wollte der Gesetzgeber trotz der geringen Nettoergiebigkeit der Grundsteuer A nicht verzichten. Die Übernahme der bundesrechtlichen Bewertungskonzeption für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft war nicht zwingend. Nicht durch die Bodenwerte, sondern durch das Nebeneinander ganz unterschiedlicher Verfahren gerät das Landesgrundsteuergesetz BW in eine Zwickmühle. Ob es mit diesem Bewertungsmix gelingt, die gleichheitsrechtlichen Vorgaben des BVerfG zu erfüllen, die Wirtschaftsgüter in ihrer Relation zueinander realitätsgerecht abzubilden, kann bezweifelt werden.
Rz. 16– 17
Einstweilen frei.