Rz. 58
Ob für eine Neuregelung der Grundsteuer und der Bestimmung der für sie nötigen Bemessungs- und Berechnungsgrundlagen eine Gesetzgebungskompetenz der Länder oder des Bundes besteht, war nicht erst im Zuge der Beratungen zur Grundsteuerreform umstritten, sondern bereits zuvor in der finanz- und steuerwissenschaftlichen Literatur.
Rz. 59
Offen war insb. die Frage, ob sich eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine Neuregelung aus Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG ergab. Angesichts der Folgefragen in anderen Rechtsgebieten, wie insb. dem Gewerbesteuerrecht und dem Recht des föderalen Finanzausgleichs nach dem Finanzausgleichsgesetz des Bundes, wurde vorgetragen, im Sinne der Vergleichbarkeit müsse zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit ein bundesweit einheitliches Regelungssystem gefunden werden. Diese Einwände konnten allerdings nicht vollständig überzeugen.
Rz. 60
Schon bisher bestand im Rahmen der Grundsteuer eine bundesweite Rechtseinheitlichkeit nur auf Ebene der Bemessungsgrundlage und den Regelungen über das Besteuerungsverfahren. Mit Blick auf die nach dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers erfolgte Schärfung der Anforderungen des Art. 72 Abs. 2 GG bestand weitgehende Einigkeit, dass im Sinne eines geringstmöglichen Eingriffs des Bundes in das nach Art. 70 Abs. 1 GG grundsätzlich gegebene Gesetzgebungsrecht der Länder der Eingriff und nicht der Grundsatz einer rechtfertigenden Legitimation bedarf und daher nur in restriktivem Maße erfolgen kann. Die Konkretisierung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs durch einfaches Gewerbesteuer- oder Finanzausgleichsrecht erschien mit Blick auf die Normenhierarchie unzulässig. Zudem unterstreichen die bereits bestehenden kommunalen Hebesätze die Zulässigkeit regionaler Elemente.
Rz. 61
Eine begrenzte Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine Neuregelung wäre daher allenfalls aus Art. 125a Abs. 2 GG abzuleiten gewesen. Danach gilt Bundesrecht, das in rechtmäßiger Weise auf Grund der bis zum Jahr 1994 geltenden Bundesgesetzgebungskompetenz nach Art. 72 Abs. 2 GG a.F. erlassen wurde und nach der Änderung dieser Norm nun nicht mehr erlassen werden könnte, als Bundesrecht fort. Art. 125a GG enthält aber nicht nur eine Anordnung der Fortgeltung des alten Rechts, die Norm gestattet dem vormals zuständigen Gesetzgeber darüber hinaus eine Änderung einzelner Vorschriften des alten Rechts. Eine grundlegende Neukonzeption ist ihm dagegen verwehrt. Ob sich das Grundsteuer-Reformgesetz in diesem Rahmen gehalten hätte, war im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens zur Grundsteuerreform umstritten.
Rz. 62
Es wurde ein verfassungsrechtliches Risiko darin gesehen, die politische Einigung ohne eine entsprechende Verfassungsänderung und allein auf Basis des Art. 125a Abs. 2 GG umzusetzen. Aufgrund der potentiellen Folge eines formell verfassungswidrigen Bundesgesetzes für die Aufkommenssicherheit für Städte und Gemeinden wurde als Teil des Reformpakets am 15.11.2019 gleichzeitig eine Verfassungsänderung beschlossen, wonach einerseits die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG n.F. ausdrücklich festgehalten wurde. Andererseits wurde die Möglichkeit der landesgesetzlichen Abweichung in Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GG begründet. Der dort verwendete Begriff "Grundsteuer" umfasst nach Auffassung des bayerischen Gesetzgebers nicht nur die verfahrensmäßigen Fragen der Festsetzung und Erhebung der Steuer durch die Gemeinden, sondern gerade auch die Bestimmung ihrer Bemessungs- und Berechnungsgrundlage.
Rz. 63
Mit dem BayGrStG wird – ebenfalls mit Wirkung für die Festsetzung und Erhebung der Grundsteuer ab dem Kalenderjahr 2025 – eine teils abweichende Rechtslage geschaffen (vgl. auch Art. 125b Abs. 3 GG). Während das Bundesmodell auch im Bereich der Grundsteuer B an dem bisherigen Leitbild der Annäherung an den Verkehrswert festhält und eine Bewertung mit turnusmäßigen Hauptfeststellungen (alle sieben Jahre) vorsieht, soll mit dem vorliegenden Gesetz für diesen zahlen- und aufkommensmäßig beherrschenden Bereich der im Grundvermögen gehaltenen Grundstücke ein Flächenmodell auf Basis des Äquivalenzgedankens umgesetzt werden. Eine weitgehend automationsgestützte Festsetzung des Grundsteuermessbetrags wird hierdurch ebenfalls unterstützt. Für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen soll damit verglichen mit dem Bundesrecht ein geringerer Erfüllungsaufwand entstehen. Zugleich soll damit ein entscheidender Beitrag zur Entbürokratisierung des Steuerrechts in Bayern geleistet werden.
Rz. 64– 66
Einstweilen frei.