1. Gesetzestext
Art. 8 Erweiterter Erlass
(1) 1 Ansprüche aus dem Grundsteuerschuldverhältnis können erlassen werden, soweit nach dem durch dieses Gesetz vorgeschriebenen Systemwechsel nach Lage des einzelnen Falles eine unangemessen hohe Steuerbelastung eintritt. 2 Die §§ 163 und 227 AO sowie §§ 32 bis 34 GrStG bleiben unberührt.
(2) Ein Fall des Abs. 1 Satz 1 kann insbesondere vorliegen bei wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens,
- 1. wenn die Lage erheblich von den in der Gemeinde ortsüblichen Verhältnissen abweicht,
- 2. wenn die Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes überschritten ist oder
- 3. bei einer Übergröße des nicht zu Wohnzwecken genutzten Gebäudes, sofern dieses eine einfache Ausstattung aufweist und entweder einen Hallenanteil aufweist oder auf Dauer nicht genutzt wird.
(3) § 35 GrStG gilt entsprechend.
2. Erlassvoraussetzungen (Abs. 1)
Rz. 256
Der Entwurf des BayGrStG vom 10.5.2021 sah keine eigenen Aussagen zu einem Erlass vor. Da das BayGrStG nur insoweit Geltung beansprucht, als es vom Grundsteuerrecht des Bundes abweicht, gelten die sachlich begrenzten Befreiungs- und Minderungsmöglichkeiten der §§ 32 ff. GrStG (sowie die Billigkeitsvorschriften der §§ 163, 227 Abgabenordnung) unmittelbar auch in Bayern.
Rz. 257
Zwar sieht Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayGrStG im wirtschaftlichen Ergebnis eine degressive Besteuerung von besonders großen Grundstücken vor. Bei einem Teil der steuerpflichtigen Grundstückseigentümer ist aufgrund der mit dem Systemwechsel verbundenen Belastungsverschiebungen gleichwohl damit zu rechnen, dass diese mit Inkrafttreten des neuen Grundsteuergesetzes eine höhere Grundsteuer entrichten müssen als dies nach der alten (verfassungswidrigen) Besteuerung der Fall ist.
Rz. 258
Deshalb wurden im Laufe des Gesetzgebungsverfahren in Anlehnung an die Billigkeitsvorschriften der Abgabenordnung mit Art. 8 BayGrStG eine neue Erlassregelung aufgenommen, wonach Ansprüche aus dem Grundsteuerschuldverhältnis in bestimmten Fällen erlassen werden können. Nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayGrStG können Ansprüche aus dem Grundsteuerschuldverhältnis erlassen werden, soweit nach dem durch dieses Gesetz vorgeschriebenen Systemwechsel nach Lage des einzenen Falles eine unangemessen hohe Steuerbelastung eintritt.
Rz. 259
Den Gemeinden soll laut der Begründung des angenommenen Änderungsantrags hierdurch jedoch nur mit Blick auf unbillige Härten, die sich aufgrund des Systemwechsels ergeben, Ermessen bei der Erhebung der Grundsteuer eingeräumt werden. Fälle, in denen ein Erlass nach Art. 8 Abs. 1 BayGrStG gegeben sein könnte, sind nach Art. 8 Abs. 2 BayGrStG i.V.m. der Begründung zu Art. 8 BayGrStG z.B. solche:
- Die Lage weicht erheblich von den in der Gemeinde ortsüblichen Verhältnissen ab (z.B. Grundstücken in Hanglage),
- Die Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes wurde überschritten (sehr alte Gebäude; das wertunabhängige bayerische Grundsteuermodell verzichtet auf die Berücksichtigung des Baujahrs; es ist davon auszugehen, dass mit der Gesamtnutzungsdauer die pauschalierte Gesamtnutzungsdauert laut Anlage 38 zum BewG gemeint ist).
- Das nicht zu Wohnzwecken dienende Gebäude weist eine Übergröße und eine einfache Ausstattung auf und verfügt entweder über einen Hallenanteil oder wird auf Dauer nicht genutzt wird (sehr flächenintensive gewerbliche Nutzungen, z.B. Lagerhallen).
Die Aufzählung ist nach Nr. 3.8 Satz 2 BayGrSt nicht abschließend. Eine entsprechende Erlassregelung ist weder in den Bundesgesetzen, noch in einem anderen Landesgrundsteuergesetz vorgesehen.
Rz. 260
In welchen Fällen von einer unangemessen hohen Steuerbelastung auszugehen ist, lässt der Gesetzgeber offen. Damit obliegt die Entscheidung darüber für jeden Einzelfall allein der jeweiligen Gemeinde. Außerdem muss die unangemessen hohe Steuerbelastung durch den Systemwechsel zu einer wertunabhängigen Bemessungsgrundlage bedingt sein. Das bedeutet, es muss ein Vergleich zwischen der bisherigen Grundsteuer auf Basis der Einheitswerte und der neuen Grundsteuerbelastung auf Grundlage des Flächenmodells angestellt werden. Hierzu ist eine eine Schattenrechnung erforderlich, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten Feststellung des Einheitswerts geändert haben. Offen lässt der bayerische Gesetzgeber, wie in Fällen zu verfahren ist, in denen die wirtschaftliche Einheit nicht der wirtschaftlichen Einheit nach dem BewG entspricht.
Es könnte gleichwohl auch die Auffassung vertreten werden, dass sogar ein Vergleich zwischen der Grundsteuerbelastung nach dem BayGrStG und der Grundsteuerbelastung, die sich nach den (neuen) bundesgesetzlichen Regelungen ergeben hätte, zu ziehen ist, da das Bundesmodell die grundlegende Systematik der Einheitsbewertung fortführt und dieses Modell auch in Bayern ab 2022 bzw. 2025 zur Anwendung käme, hätte der bayerische Gesetzgeber keine abweichenden Regelungen getroffen. Dies würde dazu führen, dass für jeden Fall zwingend eine Schattenrechnung und die Erklärung der für das Flächenmodell nicht ...