a) Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse (Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1)
Rz. 339
Der Steuermessbetrag ist bei Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse mit Auswirkung auf die Höhe des Steuermessbetrags neu festzusetzen. Hierunter fallen alle Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen, die für die Berechnung des Steuermessbetrags nach den §§ 4 bis 6 HGrStG maßgeblich sind. Das sind beispielsweise:
- Veränderungen der Flächen von Boden und Gebäuden (z.B. Neubau, Anbau, Erweiterung, Abriss, Gebäude infolge Verfall nicht mehr benutzbar, Neuvermessung der Grundstücksgrenzen) (Rz. 220),
- Änderung der Nutzungsart (Wohnen bzw. Nicht-Wohnen) (Rz. 220),
- Wegfall eines Grundes für die Ermäßigung der Steuermesszahl (Rz. 288 ff.),
- Änderung hinsichtlich teilweiser Steuerbefreiung des Grundstücks (Rz. 200 ff.).
Rz. 340
Nicht zu einer Neuveranlagung führen Veränderungen der Bodenrichtwerte während eines Hauptveranlagungszeitraumes. Denn hier gelten nach § 9 Abs. 2 Satz 2 sowie § 7 Abs. 2, 3 HGrStG stets die Verhältnisse im Hauptveranlagungszeitpunkt.
Rz. 341
Im Gegensatz zu den bundesgesetzlichen Regelungen zur Fortschreibung bzw. Neuveranlagung kommt es bei § 9 HGrStG nicht darauf an, dass die steuerlichen Auswirkungen infolge der eingetretenen Veränderungen ein gewisses Ausmaß erreichen. Es gibt keine "Fortschreibungsgrenzen" wie im Bundesrecht (§ 222 Abs. 1 BewG), die überschritten werden müssen, damit eine Neuveranlagung vorgenommen wird. Jede eintretende Veränderung mit Auswirkung auf den Steuermessbetrag wird verarbeitet, denn i.d.R. dürften die meisten der infrage kommenden Veränderungen an sich bereits ein gewisses Ausmaß erreichen. Veränderungen bei den Gebäudeflächen oder der Nutzungsart beziehen sich meist nicht nur auf wenige Quadratmeter.
Rz. 342
Zudem ist es verwaltungsökonomisch nicht aufwändiger, stets die steuerlichen Folgen von Veränderungen zu ziehen, anstatt zunächst Fortschreibungsgrenzen zu prüfen und im Falle eines Nichtüberschreitens auf die Fortschreibung zu verzichten, die aktuellen Veränderungen jedoch bei zukünftigen weiteren Veränderungen mitberücksichtigen und diese hierfür vorhalten zu müssen.
Rz. 343
Weil steuerrelevante Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse künftig von den Steuerpflichtigen anzuzeigen sind (Rz. 123), was als Steuererklärung gilt (§ 228 Abs. 2 und 5 BewG, in Hessen i.V.m. § 2 Abs. 4 Satz 1 HGrStG; § 19 GrStG, von dem das HGrStG nicht abweicht), muss auf die Erfüllung dieser Verpflichtung auch eine schriftliche Reaktion der Finanzverwaltung folgen (verfahrensbeendende Verwaltungsmaßnahme im Sinne von § 155 Abs. 1 Satz 3 AO, vgl. Rz. 453 ff.). In Hessen wird dem durch den Erlass der Neuveranlagungsbescheide über die ggf. auch nur geringfügig geänderten Steuermessbeträge Rechnung getragen. Unterbleibt beim Bundesmodell eine Neuveranlagung, weil die Grenze für die Fortschreibung des Grundsteuerwertes nicht erreicht wird, muss m.E. zumindest eine schriftliche Mitteilung erfolgen, dass sich die angezeigte Änderung nicht auf die Steuerhöhe auswirkt. Denn der Anzeigepflichtige kann im Vorfeld nicht ohne weiteres erkennen, ob sich eine Änderung auf die Steuerhöhe auswirkt oder nicht. Im Zweifel wird er die Änderung anzeigen, um eine etwaige Verletzung der Anzeigepflicht und deren Konsequenzen zu vermeiden. Er hat dann aber auch den Anspruch auf eine Reaktion seitens der Finanzverwaltung, die das durch die Anzeige- bzw. Erklärungsabgabe angestoßene Verfahren beendet. Im Ergebnis führt der Verzicht auf Fortschreibungs- bzw. Aufgriffsgrenzen im hessischen Modell zu keinem höheren Verwaltungsaufwand als im Bundesmodell oder anderen Länderabweichungsmodellen (z.B. BayGrStG vom 10.12.2021; NGrStG vom 7.7.2021) mit solchen Grenzen.
b) Änderung der Steuerschuldnerschaft (Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2)
Rz. 344
Der Steuermessbetrag ist bei Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse mit Auswirkung auf die Steuerschuldnerschaft neu festzusetzen. Hierunter fallen insbesondere Veränderungen der bürgerlich-rechtlichen (Rz. 176) oder wirtschaftlichen Eigentumsverhältnisse (Rz. 184).
c) Fehlerhafte Veranlagung (Abs. 1 Nr. 2)
Rz. 345
Der Steuermessbetrag ist neu festzusetzen, wenn die letzte Veranlagung fehlerhaft. Dies kommt in Betracht, um einen Fehler bei einer Veranlagung des Steuermessbetrags von einem vorherigen Stichtag zu beseitigen. Fehler ist jede materielle Unrichtigkeit i.S.d. § 177 Abs. 3 AO (§ 22 BewG Rz. 209).