aa) Allgemeines Äquivalenzprinzip beim Flächen-Faktorverfahren
Rz. 31
Das BVerfG hat für den Belastungsgrund bei der Grundsteuer (Leistungsfähigkeits- oder Äquivalenzprinzip) bisher keine konkreten Vorgaben gemacht. Insbesondere ist eine wertbezogene Bemessungsgrundlage nicht zwingend erforderlich. Hieraus erklärt sich die Vielfalt verschiedener Grundsteuermodelle (Rz. 4 f.). Hessen stützt die Grundsteuer für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens auf wertunabhängige Parameter. Die in Euro-Beträgen ausgewiesenen Äquivalenzzahlen (Rz. 212) sind nicht Ausdruck einer Wertkomponente, sondern haben nur die Funktion, die Bemessungsgrundlage in einen Geldbetrag auszudrücken. Der Bemessungsgrundlage liegt das Äquivalenzprinzip im Sinne einer Nutzenäquivalenz zu Grunde (Rz. 33). Nutzenäquivalenz bedeutet, dass die Leistungen eines Hoheitsträgers dessen Einwohnern Nutzen stiften (können) und sie dafür einen "Preis" zahlen. Die Grundsteuer in Gestalt der Flächensteuer ist durch den Gesichtspunkt der Nutzenäquivalenz verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Nutzenäquivalenz wird bei der Grundsteuer teils als verfassungsrechtlich zulässiger Belastungsgrund angesehen und teils für unzulässig erachtet (VerfR GrStG Rz. 20).
Rz. 32
Ob das allgemeine Äquivalenzprinzip in seiner Ausprägung als wertunabhängiges Grundsteuermodell auf Ebene der Auswahl des Belastungsgrundes neben das steuerliche Fundamentalprinzip der Leistungsfähig tritt oder an dessen Stelle, beantwortet das HGrStG nicht und bleibt auch in der Begründung des Gesetzesentwurfs offen (VerfR GrStG Rz. 21).
Rz. 33
Nach den Belastungsvorstellungen des HGrStG sollen die Gemeinden die Erträge aus der Grundsteuer für bereitgestellte (öffentliche) Infrastrukturleistungen (z.B. kommunale Straßen, allgemeine Straßenreinigung, Kindergärten, öffentliche Grünanlagen, Spielplätze, kulturelle Angebot sowie Sportstätten) erhalten, die keiner individuellen Äquivalenz (Gebühren und Beiträge, Rz. 35) unterliegen. Die hessische Grundsteuer für Grundstücke des Grundvermögens wird also als Äquivalent für kommunale Leistungen entrichtet, die dem Grundbesitz zugutekommt, ihn also besser nutzbar macht. Aus Sicht des Steuerpflichtigen wird er für die Möglichkeit belastet, diese bereitgestellten Leistungen in Anspruch nehmen zu können. Von diesem allgemeinen Nutzen kann niemand ausgeschlossen werden. Er kommt – in abgestufter Form (Rz. 48 ff.) – allen Grundstücken der Gemeinde zugute. Die Belastung mit der Hessischen Grundsteuer erfolgt demgegenüber nicht für die konkrete Nutzung der öffentlichen Infrastruktur (dazu Rz. 35).
Rz. 34
Die Steuer reflektiert also – in verfassungsrechtlich zulässiger Weise – die Nutzungsmöglichkeiten aus der bereitgestellten kommunalen Infrastruktur. Nur in diesem Sinne ist auch der Belastungsgrund der Hessischen Grundsteuer zu verstehen. Das ihm zugrunde liegende Äquivalenzprinzip tritt in Gestalt des Nutzenprinzips zu Tage. Dabei geht das Nutzungsprinzip von der Intention aus, dass die Vorteilhaftigkeit der steuerfinanzierten Gemeindeinfrastruktur die Steuerlast aufwiegt und daher dem Grunde nach gerechtfertigt ist.
Rz. 35
Damit grenzt sich die hessische Grundsteuer von der konkretisierbaren bzw. individuellen (Kosten-)Äquivalenz ab. Die Grundsteuer ist gerade keine Äquivalent für eine konkrete staatliche Gegenleistung. Ein solches Verständnis würde auch gegen die durch § 3 Abs. 1 AO konkretisierte Begriffsbestimmung einer "Steuer" verstoßen. Denn Steuern sind – anders als örtliche Gebühren und Beiträge – ungeeignet, die Kosten staatlich bereitgestellter Infrastruktur abzubilden. Demgegenüber sind sie aber durchaus geeignet, die Nutzungsmöglichkeit nicht bereits durch Gebühren und Beiträge abgegoltener kommunaler Leistungen zu erfassen (Rz. 33). Folglich ergänzt die hessische Grundsteuer die örtlichen Gebühren und Beiträge im Sinne eines Nebeneinanders im Belastungsgrund. Während Gebühren und Beiträge in einer individuellen Äquivalenz belasten, belastet die hessische Grundsteuer in einer allgemeinen Äquivalenz.