Leitsatz
1. Eine Landzuteilung im Flurbereinigungsverfahren ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG grunderwerbsteuerfrei, soweit der Wert der dem Teilnehmer bei Beendigung zugeteilten Grundstücke nicht den Wert der von ihm eingebrachten Grundstücke übersteigt.
2. Dies gilt auch, wenn ein Teilnehmer der Flurbereinigung einerseits durch Landverzichtserklärung eines anderen Teilnehmers gemäß § 52 Abs. 3 Satz 2 FlurbG einen Abfindungsanspruch in Land erwirbt und zum anderen für von ihm selbst in das Flurbereinigungsverfahren eingebrachte Grundstücke zugunsten eines Dritten auf eine Abfindung in Land verzichtet.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG, § 52 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 FlurbG
Sachverhalt
Die Klägerin war Teilnehmerin an einem Flurbereinigungsverfahren, in das sie eine Fläche von ca. 61 ha einbrachte. Der ebenfalls am Flurbereinigungsverfahren beteiligte E stimmte mit Erklärung nach § 52 FlurbG zugunsten der Klägerin zu, für zwei eingebrachte Flurstücke statt in Land mit einem Geldbetrag abgefunden zu werden. Gemäß der später ergangenen Ausführungsanordnung des Flurbereinigungsplans erhielt die Klägerin eine Fläche von ca. 21 ha. Die in der Landverzichtserklärung des E bezeichneten Flächen wurden der Klägerin nicht zugewiesen, jedoch bei der Berechnung der der Klägerin zustehenden Landabfindung berücksichtigt. Das FA setzte gegen die Klägerin für ihren Erwerb aus dem Flurbereinigungsverfahren Grunderwerbsteuer fest; Bemessungsgrundlage war die von der Klägerin an E gezahlte Geldabfindung. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG sah die Befreiungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG als nicht erfüllt an, weil sich der Landabfindungsanspruch der Klägerin aufgrund der Landverzichtserklärung des E erhöht habe (Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 6.5.2013, 7 K 32/11, Haufe-Index 7051562).
Entscheidung
Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Dieses hat zu prüfen, ob der Klägerin nach der Ausführungsanordnung zum Flurbereinigungsplan wertmäßig mehr Flächen zugeteilt wurden, als sie in das Flurbereinigungsverfahren eingebracht hatte.
Hinweis
1. Die grunderwerbsteuerrechtliche Behandlung von Erwerben im Flurbereinigungsverfahren ist im Grundsätzlichen geklärt: Mit der Ausführungsanordnung des Flurbereinigungsplans (§ 61 Satz 2 FlurbG) geht das Eigentum an den Ersatzgrundstücken von Gesetzes wegen auf den neuen Eigentümer über; das erfüllt den Besteuerungstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG. Unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG ist dieser Erwerb steuerbefreit. Eine im Laufe des Flurbereinigungsverfahrens abgegebene Landverzichtserklärung eines anderen Teilnehmers am Flurbereinigungsverfahren löst hingegen noch keine Grunderwerbsteuer aus. Diese Landverzichtserklärung bereitet den Erwerb an den Ersatzgrundstücken lediglich vor und ist nicht grunderwerbsteuerbar.
2. Grundsätzlich geklärt sind auch die grunderwerbsteuerlichen Folgen, die sich aus der Landverzichtserklärung "zugunsten eines bestimmten Dritten" (§ 52 Abs. 3 Satz 2 FlurbG) ergeben. Der durch die Landverzichtserklärung begründete Abfindungsanspruch geht auf den begünstigten Dritten über und wird durch die spätere Eigentumszuweisung an ihn erfüllt. Für diesen Erwerb wurde bislang die Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG – obwohl diese dem Wortlaut nach eingreift – grundsätzlich versagt. Die Begründung ergibt sich aus dem Zweck dieser Befreiungsvorschrift, den Eigentumserwerb durch die Landabfindung nur in dem Umfang grunderwerbsteuerfrei zu stellen, in dem der Teilnehmer eigenes Land hergeben musste. Dies galt unabhängig davon, ob der begünstigte Dritte erstmalig durch die Landverzichtserklärung in das Flurbereinigungsverfahren einbezogen wurde oder bereits zuvor Teilnehmer der Flurbereinigung war.
3. Von dem Grundsatz, dass Landzuweisungen aufgrund der Landverzichtserklärung zugunsten eines Dritten nicht grunderwerbsteuerfrei sind, hat der BFH nunmehr für einen Sonderfall eine Ausnahme zugelassen. Grunderwerbsteuerfreiheit besteht, wenn der Wert der vom Teilnehmer in das Flurbereinigungsverfahren eingebrachten Grundstücke dem Wert der ihm bei Beendigung des Flurbereinigungsverfahrens zugeteilten Flächen entspricht. Dies ist z.B. der Fall, wenn ein Teilnehmer der Flurbereinigung einerseits durch Landverzichtserklärung eines anderen Teilnehmers einen Landabfindungsanspruch erwirbt und zum anderen für von ihm selbst in das Flurbereinigungsverfahren eingebrachte Grundstücke zugunsten eines Dritten auf eine Landabfindung in Land verzichtet. Derartige Fälle dürften nicht häufig vorkommen. Immerhin könnte diese neue grunderwerbsteuerliche Beurteilung einen Anreiz schaffen, in stärkerem Maße von Verzichten auf Landabfindung Gebrauch zu machen und damit Flurbereinigungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.10.2014 – II R 10/14