Die tatsächliche Höhe der Steuern vom Einkommen und Ertrag wird nach dem Gewinn ermittelt, der sich aufgrund der Steuerbilanz (unter Berücksichtigung von außerbilanziellen Anpassungen einzelner Positionen) ergibt. Allerdings stimmen die steuerlichen Werte von Vermögensgegenständen, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten nicht immer mit den Wertansätzen in der Handelsbilanz überein. Sofern Bilanzierungs- und Bewertungsunterschiede zwischen beiden Rechenwerken bestehen, stimmt auch der in beiden Rechenwerken als Saldo der Vermögensänderungen einer Periode ermittelte Gewinn beider Rechenwerke nicht überein. Folglich korrespondiert der nach steuerlichen Vorschriften ermittelte Steueraufwand nicht mit dem handelsrechtlichen Gewinn.
Latente Steuern dienen der Ermittlung des zutreffenden Steueraufwands in der Handelsbilanz. Der Unterschied zwischen dem tatsächlichen Steueraufwand, der nach den steuerlichen Vorschriften ermittelt wurde, und dem Steueraufwand in der Handelsbilanz, der mit dem handelsrechtlichen Gewinn korrespondiert, wird als latente Steuern in der Handelsbilanz erfasst, um in der Handelsbilanz insgesamt den mit dem handelsrechtlichen Gewinn korrespondierenden Steueraufwand auszuweisen.
Nach dem im § 274 HGB verankerten bilanzorientierten Tempory Konzept werden bei der Ermittlung latenter Steuern die Differenzen über alle Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten zwischen dem Wert in der Handelsbilanz und dem steuerlichen Wert einbezogen, sofern diese nicht permanent sind.
Latente Steuern entstehen somit, wenn sich zwischen den handelsrechtlichen Wertansätzen von Vermögensgegenständen, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten und den steuerlichen Wertansätzen Differenzen ergeben, die sich in späteren Geschäftsjahren voraussichtlich abbauen.
Gemäß dem nach § 274 HGB geltenden bilanzorientierten Temporary-Konzept sind nicht nur zeitliche Differenzen, sondern auch quasi-permanente Unterschiede zwischen Handelsbilanzwert und steuerlichem Wertansatz bei der Bemessung latenter Steuern zu berücksichtigen:
- Zeitliche Differenzen lösen sich innerhalb eines abschätzbaren Zeitraums automatisch wieder auf, wie z. B. Differenzen, die aufgrund unterschiedlicher Abschreibungsmethoden entstehen.
- Quasi-permanente Differenzen bestehen auf unbestimmte Zeit und lösen sich erst durch bestimmte unternehmerische Handlungen – wie z. B. Veräußerung eines Vermögensgegenstands – wieder auf.
Differenzen bei Grund und Boden
Grund und Boden des Anlagevermögens wird nicht planmäßig abgeschrieben. Gleichwohl sind latenten Steuern auszuweisen, wenn die Wertansätze in Steuer- und Handelsbilanz unterschiedlich ausgewiesen werden – z. B. durch die Übertragung von stillen Reserven aus der Veräußerung eines anderen Grundstücks nach § 6b EStG. Mangels Abschreibung baut sich die Differenz in den folgenden Jahren nicht ab. Der Ausgleich tritt erst ein, wenn der Grund und Boden veräußert werden. Nach dem Temporary-Konzept sind dennoch latente Steuern zu erfassen.
Nicht in die Berechnung latenter Steuern einzubeziehen sind permanente Differenzen. Dabei handelt es sich um Differenzen, die auch bei einem Abbau nicht zu einer Steuerbe- oder Entlastung führen. Auch steuerfreie Erträge und Aufwendungen sowie nicht abzugsfähige Betriebsausgaben bleiben bei der bilanzorientierten Berechnung der latenten Steuern außen vor, da sich keine Auswirkungen auf die Bilanz ergeben. Gleiches gilt für gewerbesteuerliche Hinzurechnungen und Kürzungen.
Für die Berechnung der latenten Steuern sind (bei Kapitalgesellschaften) die Steuersätze (KSt, GewSt) anzuwenden, die für das jeweilige Unternehmen in Betracht kommen. Es ist auf den Zeitpunkt des Abbaus der Differenzen abzustellen.
Latente Steuern werden nicht abgezinst.
Die latenten Steuern sind aufzulösen, sobald die Steuerbelastung oder die Steuerentlastung tatsächlich eintritt oder nicht mehr damit zu rechnen ist, dass sie eintritt.
Latente Steuern betreffen nur die Handelsbilanz und werden nicht in die Steuerbilanz übernommen, da es sich weder um Wirtschaftsgüter noch Verbindlichkeiten handelt.