Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Die Zinserträge einer vom Steuerpflichtigen vor Ablauf von zwölf Jahren gekündigten Lebensversicherung sind unbeschadet des Kündigungsgrunds (hier: Insolvenz des Versicherers) einkommensteuerpflichtig nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG.
Sachverhalt
Dem Kläger flossen im Jahr 2003 Zinsen aus einem von ihm gekündigten Lebensversicherungsvertrag zu. Er ist der Auffassung, dass die Zinsen nicht einkommensteuerpflichtig sind, weil die Kündigung des Vertrags ausschließlich vor dem Hintergrund der Insolvenz des Versicherers erfolgt sei. Bei einem weiteren Zuwarten wäre der Verlust des angesparten Kapitals zu befürchten gewesen. Das Finanzamt erfasste die Zinsen hingegen als Kapitaleinkünfte und maß der Insolvenz des Versicherers keine Bedeutung bei. Entscheidend sei allein, dass die Vertragskündigung vor Ablauf von zwölf Jahren erfolgt sei.
Entscheidung
Das FG hat die Rechtsauffassung des Finanzamts bestätigt. Nach § 20 Abs.1 Nr. 6 Satz 1 EStG sind Zinsen aus Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, steuerpflichtig. Die Zinsen sind allerdings - abgesehen von hier nicht interessierenden weiteren Ausnahmen - steuerfrei, wenn sie im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von 12 Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden. Vorliegend steht der Steuerfreiheit der Zinserträge entgegen, dass der Kläger seinen Versicherungsvertrag vor Ablauf dieser Frist gekündigt hat. Nicht im Gesetz vorgesehen ist die Differenzierung des Eintritts der Steuerpflicht entsprechender Zinsen danach, wer die Kündigung des Vertrags letztlich veranlasst hat und aus welchem Grund die Kündigung ausgesprochen worden ist. Insoweit ist allein der zeitliche Faktor für die Frage der Steuerfreiheit maßgebend.
Hinweis
Die Entscheidung des FG ist zu einem sog. Altvertrag ergangen. Danach war die Steuerfreiheit der Zinsen aus Lebensversicherungen weder an ein bestimmtes Lebensalter des Bezugsberechtigten, noch an das Erreichen des Rentenalters oder an das Ausscheiden aus dem Berufsleben bei Fälligkeit der Versicherung gebunden, sondern allein an eine Mindestlaufzeit des Vertrags von zwölf Jahren im Zeitpunkt des Rückkaufs. Bei sog. Neuverträgen, d. h. nach dem 31.12.2004 abgeschlossenen Verträgen, gehört der Unterschiedsbetrag zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der auf sie entrichteten Beiträge bei Rückkauf grundsätzlich zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Lediglich für den Fall, dass die Versicherungsleistung nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Steuerpflichtigen und nach Ablauf von zwölf Jahren seit Vertragsabschluss ausgezahlt wird, ist nur die Hälfte des Unterschiedsbetrags anzusetzen.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 18.11.2008, 12 K 10521/05