Leitsatz
Zeigt ein Notar ein von ihm beurkundetes Grundstücksgeschäft nicht an, begeht er zumindest eine leichtfertige Steuerverkürzung, so dass sich die Festsetzungsfrist von vier auf fünf Jahre verlängert. Der Notar unterliegt hinsichtlich der anzuwendenden Sorgfalt bei der Erfüllung seiner Anzeigepflichten den strengen Anforderungen eines steuerlichen Beraters.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Vermögensverwaltungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH, erwarb 1992 mit notariell beurkundetem Kauf- und Abtretungsvertrag alle Geschäftsanteile an einer anderen GmbH. Diese GmbH hatte Grundbesitz, welcher im Kauf- und Abtretungsvertrag benannt und durch beigefügte Grundbuchauszüge im einzelnen belegt war. Eine Anzeige des beurkundenden Notars oder der Klägerin selbst zur Erfüllung der grunderwerbsteuerlichen Anzeigepflichten unterblieb. Aus einer Betriebsprüfung erlangte das zunächst zuständige Finanzamt Kenntnis von diesem Übertragungsvorgang und forderte 1999 den Notar schriftlich auf, bestimmte steuerlich relevante Angaben nachzuholen. In seinem Antwortschreiben gab der Notar an, dass ihm von eigenem Grundbesitz der GmbH nichts bekannt sei. Das Finanzamt wandte sich erneut an den Notar und erinnerte ihn sowohl schriftlich als auch zweimal telefonisch an seine Anzeigepflicht. Erst Anfang 2000 erhielt das Finanzamt die Veräußerungsanzeige des Notars. Das inzwischen zuständige gewordene Finanzamt setze mit Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen die Bemessungsgrundlage für die GrESt Ende 2000 fest. Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Bescheid wegen Eintritts der Festsetzungs- bzw. Feststellungsverjährung aufzuheben sei. Das Vorverfahren war ohne Erfolg.
Entscheidung
Auch die Klage war nicht erfolgreich, denn sie war nicht begründet. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die GrESt sei innerhalb der Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist ergangen und damit rechtmäßig. Das FG untersucht in seiner Entscheidung zunächst die Anlaufhemmung. Die Festsetzungs- bzw. Feststellungsverjährung habe erst mit Ablauf des 31.12.1995 zu laufen begonnen. Die Klägerin selbst habe neben dem Notar eine Anzeigepflicht, die sie nicht erfüllt habe, so dass die Festsetzungs- bzw. Feststellungsverjährung nicht mit Ablauf des Kalenderjahres 1992, sondern erst mit dem Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Entstehungsjahr folgt, beginne (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Aufgrund der im Streitfall vorliegenden leichtfertigen Steuerverkürzung sei nicht die regelmäßige vier-, sondern die besondere fünfjährige Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist maßgeblich. Der beurkundende Notar habe spätestens mit dem über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige Angaben enthaltene Antwortschreiben den objektiven Tatbestand einer Steuerverkürzung erfüllt. Das Gericht wertete das Fehlverhalten des Notars als leichtfertig, so dass auch der subjektive Tatbestand einer Steuerverkürzung zu bejahen war. Dem Notar komme aufgrund seiner Ausbildung eine dem steuerlichen Berater vergleichbare Stellung zu. Er sei verpflichtet, sich Klarheit über die Rechtslage zu verschaffen, insbesondere die Frage des Grundbesitzes einer Gesellschaft zu prüfen. Der Rechtswidrigkeitszusammenhang sei im Streitfall gegeben. Der Taterfolg beruhe gerade auf der Verletzung der Sorgfaltspflicht des Notars.
Hinweis
Letztlich entscheidend war im Streitfall, dass das Verhalten des Notars als leichtfertige Steuerverkürzung, die nicht nur eigen-, sondern auch fremdnützig begangen werden kann, zu werten war. Die verlängerte Festsetzungsfrist von fünf oder sogar zehn Jahren infolge Steuerverkürzung oder Steuerhinterziehung hängt nicht davon ab, ob der Steuerschuldner selbst Steuern verkürzt oder hinterzieht. Zulasten des Steuerpflichtigen verlängert sich die Festsetzungsfrist auch dann, wenn ein Dritter zu seinen Gunsten verkürzt oder hinterzieht. Auf die Kenntnis oder pflichtwidrige Unkenntnis in der Person des Steuerpflichtigen kommt es grundsätzlich nicht an. Nur wenn der Steuerpflichtige durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt und die im Verkehr erforderliche Sorgfalt zur Verhinderung von Steuerverkürzungen angewandt hat, ist die kurze Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist dennoch anzuwenden (Frotscher, in: Schwarz, AO, § 169 Rz. 27). Der Steuerpflichtige kann sich in diesen Fällen entlasten.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.03.2004, 5 K 59/01