Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Die regelmäßige Arbeitsstätte ist insbesondere durch den örtlichen Bezug zum Arbeitgeber gekennzeichnet. Ein Arbeitnehmer ist deshalb grundsätzlich dann auswärts tätig, wenn er außerhalb einer dem Arbeitgeber zuzuordnenden Tätigkeitsstätte (Betriebsstätte) tätig wird, wie dies insbesondere bei Leiharbeitnehmern der Fall ist.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG
Sachverhalt
K war Leiharbeitnehmer bei der Firma F, einer gemeinsamen Tochtergesellschaft der Firmen A und B. F vermittelte am Flughafen Z Fachkräfte für Bodenverkehr, Luftfahrt und Flugzeuginstandhaltung. K sollte an verschiedenen Einsatzorten in Kundenbetrieben beschäftigt werden, bei Bedarf auch zu auswärtigen Arbeitsleistungen verpflichtet und jederzeit anderweitig außerhalb des Flughafens abrufbar sein. Arbeitszeiten und Arbeitsorte erhielt K jeweils freitags für die Folgewoche. K war tatsächlich ausschließlich bei einem Kunden der F eingesetzt. K machte Fahrtkosten für beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit geltend. Das FA berücksichtigte dagegen nur die Entfernungspauschale. Die Klage war erfolglos (FG Düsseldorf, Urteil vom 24.2.2012, 11 K 3870/10 E, Haufe-Index 3219181, EFG 2012, 1738).
Entscheidung
Der BFH gab der Klage aus den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen statt.
Hinweis
Der BFH führt im hier besprochenen Urteil seine Rechtsprechung zum Leiharbeitnehmer fort (BFH, Urteil vom 17.6.2010, VI R 35/08, BFH/NV 2010, 1912, BFH/PR 2010, 420).
1. Eine regelmäßige Arbeitsstätte (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) setzt unter anderem die Tätigkeit in einer dauerhaften betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers voraus. Im Kontrast dazu steht die in einer betrieblichen Einrichtung eines Kunden des Arbeitgebers (z.B. BFH, Urteil vom 9.7.2009, VI R 21/08, BFH/NV 2009, 1883, BFH/PR 2009, 406 m.w.N.). Da fehlt der örtliche Bezug zum Arbeitgeber, wie eben typischerweise auch beim Leiharbeitnehmer und bei jedem anderen Arbeitnehmer nach einem Outsourcing (BFH, Urteil vom 9.2.2012, VI R 22/10, BFH/NV 2012, 1212, BFH/PR 2012, 262). Der BFH entscheidet sich für eine generalisierende und typisierende Betrachtungsweise, die – anders als das FG – im Nachhinein aufscheinende individuelle Zufälligkeiten und Besonderheiten in der tatsächlichen Ausgestaltung eines Arbeitsverhältnisses unberücksichtigt lässt.
2. So kommt es insbesondere bei Leiharbeitsverhältnissen nicht darauf an, dass tatsächlich der Leiharbeitnehmer unverändert in nur einer Einrichtung des Kunden seines Arbeitgebers, also letztlich an einem Ort tätig gewesen war. Denn das lässt sich jeweils erst im Nachhinein beurteilen, widerspricht also der vom BFH zum Maßstab erhobenen ex ante Betrachtung. Entscheidend ist vielmehr die rechtliche Grundlage des Arbeitsverhältnisses. Diese ist bei einem Leiharbeitsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass der Leiharbeitnehmer typischerweise nicht in einer betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers tätig wird, sich also auf den Ort, die Dauer und die weitere konkrete Ausgestaltung der dort von ihm zu verrichtenden Tätigkeit auch nicht für die Zukunft einstellen kann. Dass der Arbeitnehmer es im Nachhinein hätte können, spielt keine Rolle. Angesichts der damit gegebenen Auswärtstätigkeit war der Klage daher zu entsprechen. K konnte seine Fahrtkosten zur Tätigkeitsstätte in der tatsächlich entstandenen Höhe als Werbungskosten geltend machen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.5.2013 – VI R 18/12