Leitsatz
1. Nach der Neufassung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG durch das JStG 2008 können auf einem Wirtschaftsüberlassungsvertrag beruhende Leistungen des Nutzungsberechtigten an den Überlassenden als Betriebsausgaben abziehbar sein.
2. Sind einzelne Regelungen in einem Wirtschaftsüberlassungsvertrag nach Fremdvergleichsgrundsätzen ertragsteuerlich nicht anzuerkennen, führt dies nicht ohne weiteres dazu, dem gesamten Wirtschaftsüberlassungsvertrag die steuerliche Anerkennung zu versagen.
3. Eine solche Rechtsfolge darf nur gezogen werden, wenn der dem Fremdvergleich nicht standhaltenden vertraglichen Regelung ein derartiges Gewicht zukommt, dass dies unter Berücksichtigung des Gesamtbilds der Verhältnisse die Nichtanerkennung des gesamten Vertragsverhältnisses rechtfertigt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn anzunehmen ist, dass die in dem Wirtschaftsüberlassungsvertrag vereinbarten Leistungen des Nutzungsberechtigten insgesamt private Zuwendungen oder Unterhaltsleistungen an den Überlassenden darstellen.
Normenkette
§ 2 Abs. 2, § 4 Abs. 3, Abs. 4, § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 12 Nrn. 1 und 2, § 13 EStG, § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO, § 323 ZPO
Sachverhalt
Der Kläger erzielte im Streitjahr (2009) aus der Bewirtschaftung des elterlichen Hofes, auf dem er zusammen mit seinen Eltern auch wohnte, Einkünfte aus LuF. Er war als Erbe vorgesehen. Aufgrund des mit seinen Eltern vereinbarten Wirtschaftsüberlassungsvertrags war er zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Betriebs verpflichtet. Zudem hatte er die auf dem Betrieb ruhenden öffentlichen Abgaben und Lasten sowie die Unterhaltungsaufwendungen für die von den Eltern auf der Hofstelle genutzten Wohnung (einschließlich die Heizungs-, Strom-, Wasser-, Abwasser- und Müllabfuhrkosten) zu tragen. Außerdem hatte er sich verpflichtetet, die Kosten der elterlichen Lebenshaltung zu übernehmen und seinen Eltern monatlich 200 EUR in bar zu zahlen. Zudem galten die Bestimmungen des § 323 ZPO als vereinbart. In seiner Einkommensteuererklärung für 2009 machte er bei den Sonderausgaben vergeblich "dauernde Lasten aus Wirtschaftsüberlassungsvertrag" i.H.v. insgesamt 3.520 EUR geltend, die i.H.v. 2.400 EUR auf Barleistungen und i.H.v. 1.120 EUR auf Sachleistungen entfielen.
Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage, mit der der Kläger nunmehr den Abzug von Bar- und Sachleistungen aufgrund i.H.v. insgesamt 8.560 EUR als Betriebsausgaben bei seinen Einkünften aus LuF begehrte, wies das FG ab. Die vom Kläger an seine Eltern erbrachten Bar- und Sachleistungen seien weder als Betriebsausgaben noch als Sonderausgaben zu berücksichtigen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 14.1.2015, 4 K 233/14, Haufe-Index 8152041).
Entscheidung
Auf die Revision des Klägers hob der BFH das angefochtene Urteil auf und gab der Klage aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen teilweise statt.
Hinweis
1. Wirtschaftsüberlassungsverträge haben sich aufgrund der besonderen Verhältnisse in der LuF im Zusammenhang mit dem Generationswechsel entwickelt. Der Wirtschaftsüberlassungsvertrag soll dem aus Altersgründen als Unternehmer abtretenden Landwirt die Möglichkeit eröffnen, den Betrieb dem Hoferben bzw. seinem Nachfolger zu überlassen, ohne sich schon seines Eigentumsrechts zu begeben (grundlegend BFH, Urteil vom 24.7.1975, IV R 99/72, BStBl II 1975, 772; BFH, Urteil vom 5.2.1976, IV R 31/74, BStBl II 1976, 335).
2. Der Wirtschaftsüberlassungsvertrag ähnelt strukturell einer Betriebsverpachtung im Ganzen. Von einem üblichen Pachtvertrag unterscheidet er sich nur insoweit, als kein monatlicher Pachtzins ausschließlich in Geld vereinbart wird. Als Entgelt für die Einräumung des Nutzungsrechts werden dem Eigentümer vielmehr altenteilsähnliche Leistungen wie freier Umgang auf dem Hof, Übernahme der Kosten für Strom, Heizung, Wasser, Versicherungen und Beiträge sowie des Kapitaldienstes etc. gewährt. Auch ein monatlicher Geldbetrag kann zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Hofeigentümers gezahlt werden (BFH, Urteil vom 25.6.2014, X R 16/13, BFH/NV 2014, 1646, BFH/PR 2014, 375).
3. Durch den Abschluss eines Wirtschaftsüberlassungsvertrags entstehen zwei land- und forstwirtschaftliche Betriebe, nämlich ein wirtschaftender Betrieb des Nutzungsberechtigten und ein Eigentümerbetrieb des Nutzungsverpflichteten. Der Abschluss eines Wirtschaftsüberlassungsvertrags führt ebenso wie der Übergang von der Eigenbewirtschaftung zur Betriebsverpachtung bei fehlender ausdrücklicher Aufgabeerklärung nicht zur Einstellung der betrieblichen Tätigkeit des Hofeigentümers; der Betrieb wird vielmehr – wenn auch in anderer Form – fortgeführt (s. zur Betriebsverpachtung BFH, Urteil vom 24.9.1998, IV R 1/98, BFH/NV 1999, 398, m.w.N.).
4. Aufseiten des Nutzungsberechtigten bildet der Wirtschaftsüberlassungsvertrag die Rechtsgrundlage für das Nutzungsrecht, durch das er Unternehmer des landwirtschaftlichen Betriebs werden kann. Der Wirtschaftsüberlassungsvertrag wird hinsichtlich der Nutzungsüberlassung somit einkommensteuerrechtlich wie ei...