Sachverhalt
Die Ausgangsfälle in den beiden verbundenen Verfahren betreffen Kundenbindungsproramme, bei denen es um die Leistungsbeziehungen und den daraus resultierenden umsatzsteuerlichen Folgen zwischen den an den Programmen Beteiligten ging.
In der Rs. C-53/09 ist die Klägerin (LMUK) Managerin eines Kundenbindungsprogramms, das wie folgt funktioniert: Endverbraucher, die bei Einzelhändlern Waren erwerben, erhalten im Rahmen dieses Programms Treuepunkte, die sie gegen Treueprämien in Form von Waren oder Dienstleistungen einlösen können. An diesem Programm sind vier Akteure beteiligt: die Einzelhändler (Sponsoren), die die Endverbraucher dazu zu bewegen, mehr bei ihnen zu kaufen (die Endverbraucher zahlen für den Erwerb des Produkts jedoch den jeweils ausgewiesenen Preis), die Endverbraucher, die Klägerin als Manager des Programms, und die Unternehmen (Lieferer), die die Treueprämien im Auftrag des Managers in Form von Waren oder Dienstleistungen an die Endverbraucher abgeben, wenn diese ihre Treuepunkte einlösen.
Die Einzelhändler gewähren den Endverbrauchern bei jedem Kauf Punkte in Relation zur Höhe des für den Einkauf gezahlten Betrags. Wenn der Endverbraucher ausreichend Punkte gesammelt hat, kann er diese gegen eine Treueprämie (Ware oder Dienstleistung) einlösen, die er entweder unentgeltlich oder zu einem entsprechenden Preisnachlass erhält. Die Treueprämien werden von den Lieferern beschafft und an die Endverbraucher abgegeben. Die Einzelhändler zahlen dem Manager (LMUK) im Rahmen dieses Programms für jeden gewährten Treuepunkt einen bestimmten Betrag. Außerdem zahlen sie eine Jahresgebühr für Marketing, Entwicklung und Förderung des Programms. Die Lieferer erhalten von LMUK für jeden eingelösten Punkt (bzw. für jede an den Endverbraucher abgegebene Treueprämie) einen festen, als "Dienstleistungsgebühr" bezeichneten Betrag.
Die Lieferer stellten LMUK über diese Gebühren Rechnungen aus, aus denen LMUK den Vorsteuerabzug geltend machen wollte. Die britische Finanzbehörde versagte den Vorsteuerabzug mit der Begründung, die Zahlung (Gebühr) von LMUK an die Lieferer stelle eine Gegenleistung von dritter Seite für die Lieferung der Treueprämie des Lieferers an den Endveraucher dar; LMUK erhalte von dem Lieferer keine Leistung und habe daher auch keinen Vorsteuerabzug aus der Zahlung der "Gebühr". Hilfsweise war die britische Verwaltung der Auffassung, wenn eine Lieferung der Treueprämie von dem Lieferer an LMUK vorliege, sei LMUK zwar daraus zum Vorsteuerabzug berechtigt, LMUK habe die Prämie in diesem Fall jedoch an den Endverbraucher weitergeliefert und dies löse Ausgangssteuer bei LMUK aus.
In der Rs. C-55/09 ging es um ein ähnliches Kundenbindungsprogramm, das sich jedoch dadurch von der Rs. C-53/09 unterschied, dass die Klägerin (Baxi) einen Einzelhändler darstellt, der den Manager des Kundenprogramms mit der Auslieferung der Treueprämie an den Endverbraucher beauftragt. In diesem Verfahren war also der Manager des Programms zugleich der Lieferer der Treueprämie. Auch hier ging es um die Frage, ob der Manager die Prämie an den Endverbraucher oder an die Klägerin lieferte bzw. welche Art von Gegenleistung die Klägerin an den Manager zahlte. Im Ausgangsverfahren zahlte die Klägerin dem Manager für jede an den Endverbraucher abgegebene Treueprämie den für diese Ware empfohlenen Einzelhandelspreis.
Das Vorlagegericht fragte den EuGH, ob in den Ausgangsfällen eine Lieferung der Treueprämie vom Lieferer an den Endverbraucher vorliegt, für die die Klägerinnen zahlten, oder ob eine Leistung der Manager an die Kläger gegen Entgelt vorliegt, was den Klägerinnen den Vorsteuerabzug verschaffen würde. Schließlich fragte das Vorlagegericht, ob die Gegenleistung der Klägerinnen ggf. aufgeteilt werden könne in eine Zahlung für die Lieferung der Treueprämie an den Endverbraucher und für eine Dienstleistung des Managers (dies war besonders in der Rs. C-55/09 relevant, weil der Lieferer (bzw. Manager) aus der Zahlung der Klägerin einen Gewinn in Höhe der Differenz zwischen dem erhaltenen Betrag (empfohlener Verkaufspreis) und dem von ihm selbst gezahlten Einkaufspreis für das Produkt verbuchen konnte. Fraglich war, ob der Manager in Höhe der Differenz eine Werbeleistung an die Klägerin erbrachte, die dieser einen (bezogen auf ihre Gesamtzahlung anteiligen) Vorsteuerabzug verschaffte.
Entscheidung
Der EuGH hat - im wesentlichen unter Bezugnahme auf sein Urteil v. 27.4.1999, C-48/97 (Kuwait Petroleum) - entschieden, dass bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise, eine Lieferung der Treueprämie von dem Lieferer an den Endverbraucher und damit keine Leistung des Lieferers an den Manager des Kundenprogamms vorlag. Der EuGH begründet dies - m.E. nachvollziehbar - mit dem Lieferbegriff nach Art. 5 der 6. EG-Richtlinie (ab 1.1.2007: Art 14 MwStSystRL), der erfüllt ist bei jeder Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die empfangende Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre si...