Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
4.1 Sachverhalt
Der Verein zur Brauchtumspflege in Bayern e. V. (V) unterhält einen unternehmerischen Bereich, in dem gegenüber Dritten Leistungen gegen Entgelt ausgeführt werden. Darüber hinaus unterhält der Verein auch eine nichtunternehmerische Sphäre (nichtwirtschaftlicher Bereich i. e. S.).
Am 1.2.2024 erwarb V einen neuen Kleintransporter für 40.000 EUR zzgl. USt. Nach den bisherigen Erfahrungen ging V davon aus, dass das Fahrzeug zu 60 % für die unternehmerischen Zwecke verwendet wird.
4.2 Fragestellung
V möchte wissen, welche umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen sich ergeben, wenn das Fahrzeug im größtmöglichen Umfang dem Unternehmen zugeordnet wird. Steuerbefreite, den Vorsteuerabzug ausschließende Umsätze führt V nicht aus.
Darüber hinaus möchte V wissen, welche Konsequenzen sich ergeben würden, wenn bei Erstellung des Jahresabschlusses für 2024 festgestellt wird, dass das Fahrzeug in 2024 tatsächlich zu 50 % (alternativ 70 %) für unternehmerische Zwecke verwendet wurde.
4.3 Lösung
V ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, da offensichtlich Leistungen selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht ausgeführt werden. Der unternehmerische Bereich erstreckt sich aber nicht auf die nichtwirtschaftliche Tätigkeit i. e. S. V hat somit einen Unternehmensbereich und eine nichtunternehmerische Sphäre.
Finanzverwaltung hat EuGH-Rechtsprechung noch nicht umgesetzt
Noch nicht in Deutschland von der Finanzverwaltung umgesetzt ist die Rechtsprechung des EuGH zu der steuerrechtlichen Beurteilung der Mitgliederbeiträge. Die Finanzverwaltung geht hier immer noch von einer nichtunternehmerischen Tätigkeit aus.
Da V das Fahrzeug sowohl für seine unternehmerischen Zwecke als auch für die nichtwirtschaftlichen Zwecke verwenden will, kann das Fahrzeug nur insoweit dem Unternehmen zugeordnet werden, wie es auch für die unternehmerischen Zwecke verwendet werden soll.
V kann damit zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs am 1.2.2024 von der gesamten berechneten Umsatzsteuer (40.000 EUR × 19 % =) 7.600 EUR nur 60 % (= 4.560 EUR) als Vorsteuer abziehen.
Keine Umsatzsteuerfolgen bei gleichbleibender Verwendung
Würde V das Fahrzeug in der Folgezeit weiterhin zu 60 % für die unternehmerischen Zwecke und zu 40 % für die nichtwirtschaftlichen Zwecke i. e. S. verwenden, würden sich keine umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen ergeben. Aus den vorsteuerabzugsbehafteten Betriebskosten ist V dann jeweils zu 60 % zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Verwendet V das Fahrzeug in 2024 tatsächlich zu 50 % für seine unternehmerischen Zwecke, muss für den Teil des Fahrzeugs, der zwar dem Unternehmen zugeordnet wurde, aber für die nichtwirtschaftlichen Zwecke verwendet wurde, eine Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG vorgenommen werden. Die unentgeltliche Wertabgabe ist nach § 3a Abs. 1 UStG am Sitz des V ausgeführt und nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar; eine Steuerbefreiung liegt nicht vor. In die Besteuerungsgrundlage sind (neben den zum Vorsteuerabzug berechtigenden Betriebskosten) auch die über den maßgeblichen Vorsteuerberichtigungszeitraum verteilten Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Fahrzeugs mit einzubeziehen.
Da das Fahrzeug zum 1.2.2024 erworben wurde, entfallen von dem maßgeblichen Berichtigungszeitraum von 5 Jahren auf 2024 insgesamt 11 Monate. Von den gesamten Anschaffungskosten entfallen somit auf 2024 (40.000 EUR × 11/60 =) 7.333,33 EUR. Das Fahrzeug wurde in 2024 statt 60 % nur zu 50 % für die unternehmerischen Zwecke verwendet, sodass hier ein anteiliger Wert des Fahrzeugs (neben den anteiligen, den Vorsteuerabzug berechtigenden Betriebskosten) von (7.333,33 EUR × 10 % =) 733,33 EUR der Besteuerung unterliegt. Damit entsteht eine Umsatzsteuer auf die nichtwirtschaftliche Verwendung in 2024 von (733,33 EUR × 19 % =) 139,33 EUR.
Wenn V das Fahrzeug in 2024 tatsächlich zu 70 % für unternehmerische Zwecke verwendet, erhöht sich die Nutzung für das Unternehmen. Grundsätzlich ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus der Rechtsprechung eine Möglichkeit, einen nachträglichen Vorsteuerabzug geltend zu machen, wenn sich bei einem nicht dem Unternehmen zugeordneten Gegenstand der Anteil der unternehmerischen Nutzung erhöht. Die Finanzverwaltung hat aber im Rahmen einer Billigkeitsregelung dem Unternehmer eine Möglichkeit eingeräumt, entsprechend den Vorgaben des § 15a UStG eine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen.
Bagatellgrenzen beachten!
Voraussetzung für eine analoge Anwendung der Vorschriften zur Vorsteuerberichtigung ist aber, dass die Bagatellgrenzen des § 44 UStDV überschritten sind. So muss aus dem Leistungsbezug insgesamt mehr als 1.000 EUR Umsatzsteuer entstanden sein. Weiterhin muss die Verwendungsänderung mindestens 10 % betragen oder der Berichtigungsbetrag muss – bei einer geringeren Verwendungsänderung – mehr als 1.000 EUR betragen.
Da die Verwendungsänderung mindestens 10 %-Punkte betragen hat (von 60 % auf 70 % unternehmerische Nutzung), kommt es analog § 15a Abs. 1 und Abs. 5 UStG zu einer...