Das Niedersächsische FG hat 2021 einen Fall zur Lieferung von Strom unter expliziter Anwendung der "WAM"-Rechtsprechung entschieden. Auch das FG Münster ist dieser Rechtsprechung in dem nun vom V. Senat entschiedenen Fall ausdrücklich gefolgt.
a) Nds. FG zu Stromlieferungen im Rahmen einer Vermietung
In diesem Fall klagte ein Vermieter auf die Gewährung des Vorsteuerabzuges aus der Anschaffung von Photovoltaikanlagen. Diese verwendete er auch zur Stromversorgung von den von ihm umsatzsteuerfrei vermieteten Wohnungen. Der Vermieter nahm die Abrechnung über einen Gemeinschaftszähler im jeweiligen Haus und entsprechende Unterzähler gemäß der individuellen Verbrauchsmenge vor. Die Stromversorgung war in den Formular-Mietverträgen nicht in den allgemeinen Betriebskosten enthalten. Mit den Mietern hatte er zusätzlich zum Mietvertrag eine gesonderte Vereinbarung über die Stromversorgung geschlossen. Die Mieter hatten das Recht, den Stromlieferungsvertrag zu kündigen, mussten aber in diesem Fall die Kosten der Umrüstung der Zähleranlage tragen.
In seiner Urteilsbegründung führt das FG zunächst aus, dass die Rechtsprechung die sog. Mietnebenkosten lange Zeit als Nebenkosten zur Hauptleistung "Vermietung" angesehen hat und die Finanzverwaltung dies weiterhin tut. Dies sei aber vor dem Hintergrund der "WAM"-Rechtsprechung nicht mehr haltbar. Das Gericht weist auch darauf hin, dass der BFH laut dem oben besprochenen BFH-Urteil zur Mitvermietung von Einrichtungsgegenständen die Anwendbarkeit dieser Rechtsprechung auf die umsatzsteuerliche Behandlung von "Mietnebenkosten" bejaht habe. Erwähnenswert erscheint ihm dabei, dass das Schrifttum "WAM" zwar differenziert betrachte, jedoch häufig lediglich auf den durch die Anwendung entstehenden Mehraufwand bezüglich der Abrechnung verweise.
Nach der Sachverhaltswürdigung gab das FG der Klage des Vermieters statt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache ließ es die Revision zu. Sie ist derzeit unter dem Aktenzeichen XI R 8/21 beim XI. Senat des BFH anhängig.
b) FG Münster zu Wärmelieferungen im Rahmen einer Vermietung
Auch in diesem Fall gab das FG der auf die Gewährung des Vorsteuerabzuges gerichteten Klage einer Wohnungsvermieterin wegen der "WAM"-Rechtsprechung statt und ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zu. Es handelt sich um das Verfahren, das nun vom V. Senat des BFH entschieden wurde.
Die klagende Vermieterin begehrte den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung einer neuen Kesselanlage und einer Heizung, mit der die von ihr umsatzsteuerfrei vermieteten Wohnungen mit Wärme versorgt wurden. Sie sah die entsprechenden Wärmelieferungen als selbständige steuerpflichtige Leistungen an und berief sich dabei auf die "WAM"-Rechtsprechung des EuGH.
Die Mieter konnten die Heizungs- und Wassertemperaturen regulieren. Für jeden Mieter waren Einzelzähler vorhanden, mit denen die individuellen Wärmemengen erfasst wurden. Bei Beschwerden konnten die Mieter den Hersteller der Heizungsanlage direkt kontaktieren. Die Mieter mussten u.a. für Heizung und Warmwasser Vorauszahlungen leisten, über die jährlich nach §§ 7 und 8 der sog. Heizkostenverordnung sowie § 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches abzurechnen war. Darauf wurde in den Mietverträgen verwiesen. -Die Mieter hatten bei der Auswahl des Gaslieferanten ein Mitspracherecht.
Die Finanzverwaltung versagte den Vorsteuerabzug und wies auf eine Einigung der Referatsleiter von Bund und Ländern hin, nach der das "WAM"-Urteil keine Auswirkung auf ihre Rechtsauffassung habe. Anders als in Polen seien Mieter in Deutschland hinsichtlich der Ver- und Entsorgungsunternehmen an die Wahl der Vermieter gebunden und hätten kein Wahlrecht; die Vermieter selbst unterlägen oftmals einem örtlichen Anschluss- und Benutzungszwang. Zudem würden nach der Heizkostenverordnung die Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage zum Teil nicht verbrauchsabhängig abgerechnet, sondern nach Fläche auf die Mieter umgelegt.
Diese Argumente konnten das FG nicht überzeugen.
Zur verbindlichen Auswahl des Energieversorgers durch den Vermieter zitiert das Gericht den EuGH wörtlich dahingehend, dass die Möglichkeit der freien Wahl durch den Mieter nicht entscheidend sei. Außerdem hatten die Mieter diesbezüglich ein Mitspracherecht. Ein Anschluss- und Benutzungszwang lag im zu entscheidenden Fall nicht vor. Der Hinweis auf die teilweise flächenabhängig erfolgte Abrechnung nach der Heizkostenverordnung sei ebenfalls nicht stichhaltig. Entscheidend sei die individuelle Abrechnung gegenüber den einzelnen Mietern.
So würden insgesamt die Umstände, die für eine Selbständigkeit der Wärmelieferungen sprechen, überwiegen. Der Vorsteuerabzug sei demnach zu gewähren.