1. Der Ausgangssachverhalt und die Vorlagefragen
Die Wojskowa Agencja Mieszkaniowa ("WAM") trat als Vermieterin verschiedener Immobilien auf. Im Rahmen dieser Tätigkeit verkaufte sie die Versorgungsleistungen Elektrizität, Wärme und Wasser sowie die Abfallentsorgung an die Mieter weiter. Dies geschah, indem sie an die Mieter die Kosten weiterberechnete, die sie für den Erwerb der Leistungen bei Dritten zu tragen hatte. Die WAM stellte den Mietern für die Versorgungsleistungen Vorauszahlungen in Rechnung, deren Betrag im Mietvertrag festgehalten war. Die Weiterberechnung erfolgte unter Anwendung des jeweils geltenden Steuersatzes für die einzelnen Leistungen. Nach Abschluss eines Jahres nahm sie eine verbrauchsabhängige Abrechnung vor.
Die polnische Finanzverwaltung vertrat demgegenüber die Auffassung, dass die Lieferung der Versorgungsleistungen und die Abfallentsorgung Teile einer einheitlichen Vermietungsdienstleistung seien. Die verschiedenen Leistungen seien in die Besteuerungsgrundlage dieser Hauptleistung einzubeziehen. Insgesamt sei ein einheitlicher Steuersatz anzuwenden und zwar der Steuersatz, der auf die Vermietungsleistung als Hauptleistung anwendbar ist.
Dagegen wandte sich die WAM mit einer Klage beim Woiwodschaftsverwaltungsgericht Warschau ("Verwaltungsgericht"), das wegen der "enormen praktischen Bedeutung" der Rechtssache dem EuGH zwei Fragen vorlegte.
Leistungsbeziehung zwischen Vermieter und Mieter? Zunächst wollte das VG wissen, ob es nach den Bestimmungen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie in einer Konstellation wie der im Ausgangssachverhalt bezüglich der Erbringung von Versorgungsleistungen und Abfallentsorgung überhaupt zu einer Leistungsbeziehung zwischen Vermieter und Mieter kommt.
Für den Fall, dass dies zu bejahen sei, schloss das VG die Frage an, ob diese weiterberechneten Kosten die Steuerbemessungsgrundlage für die Vermietungsleistung erhöhen oder ob die entsprechenden Leistungen als eigenständige Leistungen getrennt von der Vermietungsleistung zu betrachten und dementsprechend abzurechnen sind.
2. Die Entscheidung des EuGH
a) Leistungserbringung des Vermieters an den Mieter
Hinsichtlich seiner ersten Frage nach der Leistungsbeziehung zwischen Vermieter und Mieter nahm das VG Bezug auf das EuGH-Urteil "Auto Lease Holland". Bei diesem auch als "Tankkartenurteil" bekannten Verfahren hatte der EuGH über die umsatzsteuerliche Behandlung von Kraftstofflieferungen an Kraftfahrzeug-Leasingnehmer im Namen und für Rechnung des Leasinggebers zu entscheiden. Er kam zu dem Ergebnis, dass in diesem Fall keine Lieferkette zwischen Mineralölgesellschaften und Leasinggeber einerseits sowie zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer andererseits vorliegt. Der Leasinggeber erbringe eine Finanzierungsleistung an den Leasingnehmer.
EuGH: Vermieter ist Erbringer der Versorgungs- und Entsorgungsleistungen: Der EuGH verneinte jedoch die Übertragbarkeit. Er kam in "WAM" zu dem Schluss, dass der Vermieter gegenüber dem Mieter der Erbringer der Versorgungs- und Entsorgungsleistungen ist. Denn der Vermieter habe diese Leistungen selbst für die von ihm vermietete Immobilie bei darauf spezialisierten Dritten erworben.
b) Getrennt zu betrachtende Leistungen im Rahmen von Vermietungen grundsätzlich möglich
Seine deutlich umfangreichere Antwort auf die zweite Frage des VG beginnt der EuGH mit einem Hinweis auf seine gefestigte Rechtsprechung zur Eigenständigkeit von Leistungen, nach der jede Leistung in der Regel zwar als selbständig zu betrachten ist, unter bestimmten Umständen mehrere formal eigenständige Leistungen aber als einheitlicher Umsatz anzusehen sind. Dies ist dann der Fall, wenn diese Leistungen von einem Steuerpflichtigen erbracht werden und aus wirtschaftlicher Sicht eine einzige Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Ebenso weist er auf die umsatzsteuerliche Behandlung von Nebenleistungen hin. Nebenleistungen, die umsatzsteuerlich das Schicksal der Hauptleistung teilen, sind Leistungen, die keinen eigenen Zweck, sondern nur ein Mittel darstellen, damit eine Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch genommen werden kann. Dies ist aus der Sicht des Leistungsempfängers zu beurteilen.
Die deutsche Finanzverwaltung hat diese Grundsätze ausdrücklich übernommen.
Was das Vorliegen umsatzsteuerlicher Nebenleistungen in Zusammenhang mit Grundstücksvermietungen angeht, so sieht sie in der Regel die Lieferung von Wärme, die Versorgung mit Wasser, auch mit Warmwasser, die Überlassung von Waschmaschinen, die Flur- und Treppenreinigung, die Treppenbeleuchtung, die Lieferung von Strom, die Bereitstellung von Internet- und/oder TV-Anschluss durch den Vermieter sowie die von dem Vermieter einer Wohnanlage vertraglich übernommene Balkonbepflanzung als solche an. Auf diese Leistungen findet daher die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 S. 1 Buchst. a) UStG Anwendung. Ebenso würden sie bei einem Verzicht auf diese B...