Leitsatz
1. Eine Leistung, die in der Lieferung und Verlegung eines Glasfaserkabels besteht, das zwei Mitgliedstaaten verbindet und teilweise außerhalb des Hoheitsgebiets der Gemeinschaft liegt, ist als eine Lieferung von Gegenständen i.S.d. Art. 5 Abs. 1 der 6. EG-RL anzusehen, wenn das Kabel im Anschluss an vom Lieferer durchgeführte Funktionsprüfungen auf den Kunden übertragen wird, der dann als Eigentümer darüber verfügen kann, der Preis des Kabels den eindeutig überwiegenden Teil der Gesamtkosten dieser Leistung ausmacht und die Dienstleistungen des Lieferers sich auf die Verlegung des Kabels beschränken, ohne dieses der Art nach zu verändern oder den besonderen Bedürfnissen des Kunden anzupassen.
2. Art. 8 Abs. 1 Buchst. a 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass die Befugnis zur Besteuerung der Lieferung und Verlegung eines Glasfaserkabels, das zwei Mitgliedstaaten verbindet und teilweise außerhalb des Hoheitsgebiets der Gemeinschaft liegt, dem einzelnen Mitgliedstaat sowohl in Bezug auf den Preis für das Kabel und das übrige Material als auch in Bezug auf die Kosten der mit der Verlegung dieses Kabels zusammenhängenden Dienstleistungen anteilig nach der Länge des sich auf seinem Hoheitsgebiet befindlichen Kabels zusteht.
3. Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-RL in Verbindung mit Art. 2 Nr. 1 und Art. 3 dieser RL ist dahin auszulegen, dass die Lieferung und Verlegung eines Glasfaserkabels, das zwei Mitgliedstaaten verbindet, bezüglich des Teils der Leistung, der in der ausschließlichen Wirtschaftszone, auf dem Festlandssockel und auf hoher See erbracht wird, nicht der Mehrwertsteuer unterliegt.
Normenkette
Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-RL (§ 3 Abs. 1, § 3 Abs. 6, § 3 Abs. 9 UStG)
Sachverhalt
Das von der schwedischen AG zu verlegende Kabel wurde auf dem schwedischen Festland befestigt und eingegraben, auf dem Meeresboden in schwedischen Binnen- und Küstengewässern, auf dem Festlandssockel Schwedens und des anderen Mitgliedstaats als Küstenstaaten sowie in den Küsten- und Binnengewässern des anderen Mitgliedstaats verlegt, eingegraben und schließlich auf dem Festland dieses letztgenannten Staats eingegraben und befestigt. Der Besteller wurde Eigentümer des Kabels.
Schwedens FA meinte, es handle sich um eine in Schweden erbrachte Dienstleistung, weil der Anteil der Dienstleistungen wegen der schwierigen Art der Verlegung überwog.
Entscheidung
Der EuGH nahm eine Lieferung an; zum Leistungsort kann auf 2. der Praxis-Hinweise verwiesen werden.
Hinweis
Die Entscheidung betrifft zwei Themata: Den Leitungsgegenstand bei komplexen Leistungen und den Leistungsort. Streitig war der Leistungsort für die Lieferung und Verlegung eines unterseeischen Glasfaserkabels zwischen Schweden und einem anderen Mitgliedstaat.
1. Leitungsgegenstand bei komplexen Leistungen
Die Entscheidung zeigt exemplarisch, dass bei der Abgrenzung Lieferung/sonstige Leistung (nur) praktische Vernunft (die Sicht des Durchschnittsverbrauchers) angesagt ist.
a) Zur Abgrenzung eine/mehrere Leistungen: Eine einheitliche Leistung liegt vor, wenn zwei oder mehr Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Hier sei maßgeblich, dass Gegenstand des Vertrags die Veräußerung eines verlegten und funktionstüchtigen Kabels ist, die nach Abschluss der Installation und der probeweisen Inbetriebnahme stattfinden soll. Es sei wirklichkeitsfremd anzunehmen, dass der Kunde zunächst das Glasfaserkabel erwirbt und dann bei demselben Lieferanten die mit der Verlegung dieses Kabels zusammenhängenden Dienstleistungen beziehe.
b) Zur Abgrenzung Lieferung/Dienstleistung: Bei einem eine Einheit bildenden komplexen Umsatzes ist eine Leistung als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kunden keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter den bestmöglichen Bedingungen zu beziehen.
Die Verlegung des Kabels erfordere die Anwendung komplexer technischer Verfahren, den Einsatz von Spezialausrüstung, spezifische Sachkunde. Bei einer Leistung solchen Ausmaßes mit der Lieferung des Gegenstands seien die Dienstleistungen nicht nur untrennbar verbunden, sondern auch für den weiteren Einsatz und die weitere Nutzung des Gegenstands unerlässlich und deshalb keine Nebenleistung. Der Vertrag betreffe den Erwerb eines körperlichen Gegenstands (Glasfaserkabel). Der Umstand, dass die Lieferung dieses Kabels mit dessen Installation und anschließenden Prüfungen einhergehe, stehe der Einordnung als Lieferung nicht entgegen, wie Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-RL bestätige (Leistungsort bei Installation oder Montage durch den Lieferer ist der Montage-/Installationsort).
Das Verhältnis zwischen dem Preis des Gegenstands und dem der Dienstleistungen ist lediglich ein objektiver Anhaltspunkt. Wenn die vom Lieferer auszuführ...